In der Mainzer Innenstadt soll künftig ein Mahnmal an die während der NS-Herrschaft verfolgten Wohnungslosen und andere als „Asoziale“ verfemte Menschen erinnern. Der geplante Gedenkort sei auch als Warnung vor dem in Deutschland erneut anwachsenden Sozialrassismus gedacht, sagte der Sozialmediziner Gerhard Trabert am Donnerstag. Von Traberts Verein „Armut und Gesundheit in Deutschland“ geht die Initiative zu dem Mahnmal aus. Vorgesehen ist der Aufbau einer knapp ein Meter hohen Bronzestatue des Aschaffenburger Bildhauers Franz Konrad. Dessen Bewerbung war Ende September aus 29 eingereichten Vorschlägen von einer Jury ausgewählt worden, der Vertreter des Vereins und städtischer Gremien angehörten. Abschließende Voten der städtischen Gremien stehen noch aus.
Franz hatte ursprünglich bereits zum 50. Jahrestag des Weltkriegsendes eine Reihe abstrakter Skulpturengruppen aus Holzblöcken geschaffen, die an die Opfer des NS-Terrors erinnern sollen. Eines dieser Werke, das drei verzweifelte, gebeugt sitzende Gestalten darstellt, soll nun für den Mainzer Gedenkort in Bronze nachgegossen werden. Zusammen mit einer Informationsstele soll das Mahnmal am Platz vor der Barockkirche St. Peter am Rand des Mainzer Regierungsviertels aufgestellt werden. Der Standort sei ausgewählt worden, weil der Ort stark frequentiert sei, sagte der städtische Kulturamtsleiter Stephan Fliedner. Zudem befinde sich in der Kirche das Grab des wegen seines sozialen Engagements verehrten katholischen Pfarrers Franz Adam Landvogt (1889-1953).
Die Kosten für den Gedenkort in Höhe von insgesamt rund 40.000 Euro trägt der Verein „Armut und Gesundheit“. Gezielte Spenden für das Vorhaben seien erwünscht. Traberts Worten zufolge handelt es sich um die bundesweit erste derartige Gedenkstätte. Die als „Asoziale“ oder „Berufsverbrecher“ Verfolgten waren offiziell erst 2020 als Opfergruppe des NS-Regimes anerkannt worden. Dazu zählten nach dem nationalsozialistischen Weltbild Tagelöhner, Wohnungslose, Prostituierte, Fürsorgeempfänger sowie Sinti und Roma. Zehntausende von ihnen waren wegen ihrer Armut in Konzentrationslager deportiert oder Opfer von Zwangssterilisationen geworden. Ihre Kinder wurden teils noch bis in die 1950er Jahre willkürlich und gegen den Willen der Eltern in Jugendeinrichtungen festgehalten.
„Armut wird wieder immer mehr stigmatisiert“, warnte Trabert. Auch rechtsextreme Gewalt gegen Wohnungslose nehme zu, sagte der Arzt, der seit vielen Jahren Menschen ohne festen Wohnsitz medizinisch versorgt. In der Mainzer Ambulanz für Patienten ohne Krankenversicherung gebe es Fälle, in denen Obdachlose aus Hass mit Steinen beworfen, mit Baseballschläger verprügelt oder gar mit Benzin übergossen und angezündet worden seien.