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Mahnung zur dauerhaften Erinnerung

Digitales Gedenken an Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen vor 75 Jahren

Oranienburg/Berlin/epd Mit einem Online-Gedenktag und einem ökumenischen Gottesdienst ist am Sonntag an die Befreiung der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück vor 75 Jahren erinnert worden. Die ursprünglich geplanten Gedenkfeiern vor Ort waren wegen der Coronavirus-Pandemie abgesagt worden. Außenminister Heiko Maas (SPD) und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) riefen in Videobotschaften zur bleibenden Erinnerung an die Gräueltaten der NS-Zeit auf. Aus der katholischen Gedenkkirche Maria Regina Martyrum in Berlin wurde ein Gedenkgottesdienst ohne Gemeinde live im Fernsehen übertragen. Daran wirkte neben Pröpstin Christina-Maria Bammel auch Rabbiner Andreas Nachama mit. Dieser berichtete von seinem Vater Estrongo Nachama, der den Todesmarsch der Häftlinge des KZ Sachsenhausen überlebt hatte. Oft werde gefragt, wo Gott in dieser Zeit gewesen sei. "Mein Vater fragte oft, wo war der Mensch in dieser Zeit", sagte Nachama.

Pröpstin Bammel erinnerte an das unvorstellbare Grauen in den Konzentrationslagern der Nazizeit, in der der Tod "ein Meister aus Deutschland" geworden sei. Heute lebten Menschen verschiedener Religionen in einem anderen Land. Allerdings sei diese Gesellschaft "gegen die Seuche der Todesobsession und des Hasses" nicht immun. Sie sei daher angewiesen auf die Erinnerung an Ravensbrück und andere Schreckensorte.

Die Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen vor 75 Jahren darf nach Überzeugung von Bischof Christian Stäblein auch trotz der aktuellen Corona-Beschränkungen nicht verblassen. Das Gedenken sei lebenswichtig für die Gesellschaft, sagte das Oberhaupt der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am Samstag in seinem "Wort des Bischofs" auf der RBB-Hörfunkwelle 88,8. Wegen der Coronavirus-bedingten Absage der Veranstaltungen vor Ort sei das mediale Gedenken in diesem Jahr besonders wichtig.

Stäblein nannte es daher "richtig, die große Erinnerungsfeier auf das kommende Jahr zu verschieben". Er betonte: "Die Erinnerung fällt nicht aus, sie ist nicht abgesagt. Sie kann, sie darf nicht abgesagt werden."

Hintergrund:

Das Konzentrationslager Sachsenhausen in Oranienburg nördlich von Berlin wurde 1936 als Modell- und Schulungslager der SS in Betrieb genommen und war ab 1938 auch Verwaltungszentrale aller NS-Konzentrationslager. Bis zur Befreiung durch sowjetische und polnische Soldaten am 22. April 1945 waren dort mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende starben an den Haftbedingungen, durch medizinische Experimente oder wurden ermordet. Um die Befreiung der Häftlinge zu verhindern, trieb die SS im April 1945 mehr als 30.000 von ihnen auf Todesmärsche Richtung Nordwesten.

Das Konzentrationslager Ravensbrück wurde 1939 als größtes Frauen-KZ auf deutschem Gebiet errichtet. 1941 kam ein Männerlager, 1942 das sogenannte "Jugendschutzlager Uckermark" für weibliche Jugendliche hinzu. Bis zur Befreiung durch die Rote Armee am 30. April 1945 waren dort mehr als 130.000 Frauen, 20.000 Männer und 1.000 Mädchen inhaftiert. Zehntausende der Häftlinge wurden ermordet oder kamen auf andere Weise ums Leben. Rund 20.000 der Inhaftierten wurden vor der Befreiung auf Todesmärschen Richtung Nordwesten getrieben.