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Locker bleiben

Kirche des Worts – so sehen sich die Evangelischen. Jetzt bekommen die Erben Martin Luthers gewaltig eins auf den Deckel: Ein Verein wirft ihnen Sprachpanscherei vor

Es gibt Worte, die können einen auf die Palme bringen. Peace box zum Beispiel. Das hat mal ein Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Bestatter in die deutsche Sprache einbringen wollen. Gemeint war der Sarg. Die bisherige Formulierung schien dem obersten Bestatter der Republik offenbar nicht mehr schmissig genug. Und wo er schon mal dabei war, wollte er auch gleich die Berufsbezeichnung aufpolieren: Funeral Master, so sollte der Bestatter der Zukunft heißen.

Durchgesetzt haben sich die Vorschläge nicht. Aber sie brachten dem Urheber den Titel „Sprachpanscher des Jahres“ ein.
Mit diesem Negativpreis zeichnet der „Verein Deutsche Sprache“ jährlich Personen oder Institutionen aus, die durch „besondere sprachliche Fehlleistungen“ auffallen, wie der Verein erklärt. Die zweifelhafte Auszeichnung haben Vorstandsvorsitzende erhalten, Politiker, eine Ministerin, eine Modeschöpferin. Und der deutsche Turnerbund.

In diesem Jahr hat es die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erwischt.
Sie wird dafür gescholten, dass sie Angebote zum Segnen mit den englischen Ausdrücken „Moments of Blessing“ und „Bless­U-2“ be­zeichnet. Auch der Ausdruck „Godspot“ (statt des üblichen „Hotspot“) für freie, drahtlose Internetzugänge in Kirchen war den Juroren ein Dorn im Auge.

Tatsächlich steckt hinter dem modischen Einstreuen, Mischen und Aufpfropfen englischer Worte in die deutsche Sprache häufig nichts anderes als Imponiergehabe. Unnötig, weil es – nicht immer, aber oft genug – durchaus Begriffe in der eigenen Muttersprache gäbe, die den gleichen Sachverhalt genauso treffend ausdrücken könnten.

Andererseits sollte man barmherzig sein. Wer Menschen erreichen will, steht immer in der Gefahr, sich anzubiedern. „Denglisch“ (die Vermischung von Deutsch und Englisch) mag manchmal peinlich daherkommen. Aber: Das ist der Preis für Kreativität. Wer ausprobiert, Neues wagt, wird auch mal über das Ziel hinausschießen. Und ganz ehrlich: So abwegig ist „Godspot“ als Bezeichnung für ein Angebot, das ja besonders eine junge und internationale Szene im Blick hat, nun auch wieder nicht.

Ist das Verrat an der Sprache?
Immer schon hat das Deutsche sich bei Fremdsprachen bedient. Portemonnaie, Niveau, Nase – wer stört sich heute noch an diesen, anderen Sprachen entlehnten Wörtern? Selbst Luther suchte bei der Bibelübersetzung zwar tagelang nach deutschen Begriffen, er ließ die Frohe Botschaft aber selbstverständlich griechisch „Evangelium“ heißen. Und einen seiner Mitstreiter kennt die Welt heute nur noch in der griechischen Version des Familiennamens Schwartzerdt: Melanchthon.
Locker bleiben. Sprache ist ein lebendig Ding. Natürlich kann man den Puristen herauskehren, die Sprache reinhalten wollen. Ein reizvolles Hobby.
Ist das Züchten von Brieftauben auch. Trotzdem würde heute niemand mehr auf die Idee kommen, auf den Gebrauch von Post, E-Mail und SMS zu verzichten.