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Ließ Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro Gegner ausspionieren?

21-Mal klopfte Brasiliens Polizei am Donnerstag an Türen im ganzen Land. Bei den Hausdurchsuchungen ging es um kriminelle Strukturen im Geheimdienst. Profiteure des illegalen Schemas: Ex-Präsident Bolsonaro samt Familie.

Seit Jahren spekulieren Medien darüber, nun gibt es offenbar handfeste Indizien dafür, dass unter Brasiliens Ex-Präsident Jair Messias Bolsonaro (2019-2022) dessen politische Gegner bis hoch zu Verfassungsrichtern widerrechtlich ausspioniert wurden. Die Bundespolizei nahm am Donnerstag (Ortszeit) laut Medienberichten 21 Hausdurchsuchungen in mehreren Gliedstaaten vor, darunter bei Bolsonaros damaligem Geheimdienstchef.

Laut Angaben der Polizei sind durch das illegale Handlungsmuster Informationen “für politische und mediale Zwecke, zur persönlichen Bereicherung und sogar zur Einmischung in Ermittlungen der Bundespolizei” bereitgestellt worden. Sieben Polizeibeamte wurden noch am Donnerstag suspendiert. Besonders pikant: Das kriminelle Schema soll auch die Söhne des damaligen Präsidenten vor Ermittlungen der Justiz beschützt haben.

Der Abgeordnete Alexandre Ramagem, der als enger Vertrauter der Bolsonaro-Familie gilt und während dessen Regierung vom Leibwächter des Präsidenten zum Geheimdienstchef aufstieg, habe mit Hilfe der Spionage-Software “First Mile” landesweit bis zu 30.000 Personen bespitzeln lassen, so der Vorwurf. Die Software hatte die Regierung des damaligen Präsidenten Michel Temer 2018 erworben. Neben Abgeordneten soll auch die ehemalige Chefermittlerin im Fall der 2018 ermordeten Stadträtin von Rio de Janeiro, Marielle Franco, ausspioniert worden sein.

Ebenso könnten laut den Recherchen die beiden Richter des Obersten Gerichts, Gilmar Mendes und Alexandre de Moraes, betroffen sein. Die beiden waren während Bolsonaros Amtszeit Zielscheibe von Schmutzkampagnen des Präsidenten und dessen Umfeld. Besonders Moraes war vorgeworfen worden, Verbindungen zur Drogenbande PCC zu haben. Der Richter ist federführend bei mehreren Ermittlungen gegen Bolsonaro und dessen Umfeld und deswegen immer wieder im Fokus von verbalen Attacken gegen seine Person.

Bolsonaro hatte während seiner Amtszeit mehrmals offen dazu aufgerufen, Moraes des Amtes zu entheben; zudem hatte sich Bolsonaro dafür ausgesprochen, richterliche Entscheidungen von Moraes zu ignorieren. Der Oberste Richter ist auch für die Ermittlungen mitverantwortlich, die zu den jetzt durchgeführten Hausdurchsuchungen führten. Bereits im vergangenen Jahr sei man auf Hinweise über ein illegales Schema innerhalb des Geheimdienstes gestoßen.

Während Bolsonaros Amtszeit war oft über parallele Strukturen innerhalb des Sicherheitsapparates spekuliert worden. Bolsonaro selbst hatte sich mehrfach darüber beschwert, dass ihm wichtige Informationen über die offiziellen Kanäle vorenthalten würden. Besonders was Ermittlungen gegen seine Söhne anging. So hatte der Präsident erfolglos versucht, Ramagem als Chef der Bundespolizei von Rio de Janeiro zu installieren, wo gegen seine Söhne ermittelt wurde.

So soll der Geheimdienst versucht haben, Ermittlungen gegen Bolsonaros jüngsten Sohn Jair Renan zu manipulieren. Ihm war vorgeworfen worden, seinen Einfluss auf den Präsidenten für kommerzielle Zwecke missbraucht zu haben. Der Geheimdienst habe versucht, die Schuld auf einen Geschäftspartner des Präsidentensohnes zu schieben. Auch in Ermittlungen gegen Bolsonaros Sohn Flavio wegen des Verdachts der Veruntreuung öffentlicher Gelder soll Ramagem eingegriffen haben.

Medienberichte brachten den Bolsonaro-Clan auch immer wieder in Verbindung mit dem Mord an der Stadträtin Marielle Franco. In einem Interview mit dem TV-Sender Globo News stritt der ehemalige Geheimdienstchef Ramagem am Donnerstag jegliche Intervention in die Ermittlungen im Fall Franco ab. Er wisse nicht, warum bei der Bundespolizei Daten dieses Falles abgerufen wurden und wer dafür verantwortlich sei. Ramagem will sich bei den Kommunalwahlen Ende des Jahres um das Bürgermeisteramt von Rio de Janeiro bewerben.