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Leitkultur mit vielerlei Facetten

Leitkultur, UK 20/2017 (Seite 1: „Da bin ich zu Hause“, Seite 4: „Debatte um Thesen hält an“) und UK 24/2017 (Seite 14, Leserbrief „Leitkultur: Offener Diskurs auf Augenhöhe“)
Jedes Wort des Leserbriefschreibers   unterstreiche ich – wir kennen uns nicht, haben aber gleichzeitig dieselben Gedanken zur historischen Entwicklung der Ablehnung des Bekenntnisses zur deutschen Leitkultur.
Mindestens seit dem Sachsenschlächter Karl dem Großen und Martin Luther und seinen Judenpamphleten und der Entwicklung unserer Sprache und Schrift – die Janusköpfigkeit des deutschen Volks-charakters? – haben wir Leitkultur. Eine solche haben wir auch durch Albrecht Dürer, Lenbach, die Bachfamilie, Joh. Brahms und Richard Wagner, die Humboldts, J. W. Goethe und Fr. v. Schiller, Gebr. Grimm, Freiherr vom Drais, v. Bodelschwingh, Dietrich Bonhoeffer, Eva Thiele-Winkler, Clara Schumann, Maria Sybilla Merian, die Herren Benz und Diesel, Robert Koch und Leibnitz, Wernher v. Braun usw. und Kollegen!
Und auch das gehört zur deutschen Leitkultur: die Menschen, die die unerwartet, wie ein Platzregen hereinströmenden, nicht enden wollenden Scharen von Flüchtlingen bis zur eigenen völligen Erschöpfung, wie selbstverständlich vor zwei Jahren mitversorgten und mit Geld und ihrer Freizeitspende unterstützten! Tonnen von Empathie wurden produziert. Samariter pur in Reinleit kultur! Jeder Arbeitnehmer, der morgens selbstverständlich zur Arbeit geht, lebt Leitkultur.
Auf dem Kirchentag sagte die Leiterin des „Einstein-Forums“ in Potsdam, die Jüdin Prof. Susan Neimann, zum Thema „Ist die Vernunft noch zu retten?“, sie fühle sich mit ihren Kindern in Berlin wohl aufgehoben. Der britische Historiker Ian Kershaw bemerkt in seinem Buch „Höllensturz“: „Es gibt ein Leben nach dem Höllensturz“. Die Verfluchung unseres Volkes durch Adolf Hitler ist wenigstens seit der spontanen, freiwilligen Flüchtlingshilfe aufgehoben.
Gefangen hält uns nur noch „german-angst“, Nazi genannt zu werden – der dunkle Schatten Hitlers. Wir haben uns durch die Jahrzehnte so an ihn gewöhnt, dass wir glauben, ohne ihn in der Völkergemeinschaft nicht leben zu können und halten uns damit selbst gefangen. Wir, die jetzt Lebenden, sind keine Nazis, wenn wir demütig bleiben und weiterhin der Opfer gedenken!
Innenminister de Maizière liegt vollkommen richtig mit seinen neuen Vorschlägen. Sollten all die studierten Verneiner unserer Leitkultur unsere vorgenannten Geistesgrößen nicht kennen? Leitkultur sind auch die Billiarden DM und Euro, die wir seit Jahrzehnten als Entwicklungshilfe zuverlässig zahlen.
„Handle so, dass der Beweggrund Deines Willens jederzeit zugleich als Grundsatz einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnte“, formulierte vor 200 Jahren Immanuel Kant. Johann Gottlieb Fichte sagt es einfacher: „Und handeln sollst du so als hinge von dir und deinem Tun allein das Wesen ab der Menschheit Dinge – und die Verantwortung wär` dein!“ Und das soll keine deutsche Leitkultur sein?

Ursula Neukirch, Plettenberg