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Leiter sieht Dublin-Zentrum in Brandenburg mit Skepsis

In Eisenhüttenstadt startet am 13. März eines der bundesweit ersten “Dublin-Zentren” zur schnelleren Abschiebung. Der Leiter der Zentralen Ausländerbehörde in Brandenburg, Olaf Jansen, zweifelt an der Effizienz.

In Eisenhüttenstadt hat das bundesweit zweite “Dublin-Zentrum” für schnellere Abschiebungen eröffnet. Am 13. März kommen die ersten abgelehnten Geflüchteten an, für deren Asylverfahren andere EU-Staaten zuständig sind, in die sie nun abgeschoben werden müssen. Aus Brandenburg wird es meist zurück nach Polen gehen. Der Leiter der Zentralen Ausländerbehörde, Olaf Jansen, wo sich das Zentrum befindet, hat Zweifel an der Effizienz des Verfahrens. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläutert er die Problematik von “Drehtürfällen”. Die zentrale Bearbeitung der Dublin-Fälle beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sei zu langsam.

Frage: Herr Jansen, die neuen “Dublin-Zentren” sollen Abschiebungen von Flüchtlingen, für deren Asylverfahren Deutschland nicht zuständig ist, beschleunigen. Was erwarten Sie davon?

Antwort: Schauen wir mal, ob es etwas bringt. Wir haben uns aufgrund der Grenznähe dazu entschieden, uns auf ein Land, nämlich Polen, zu beschränken. Wir rechnen damit, dass pro Monat 50 bis 60 Menschen in das Dublin-Zentrum aufgenommen werden können, die in Brandenburg einen negativen Asylbescheid erhalten haben.

Frage: Wie viele Personen würden sich dann wie lange dort aufhalten?

Antwort: Maximal 250 Personen wären möglich. Aufenthalt: Gut zwei bis drei Wochen, wenn der ablehnende Bescheid nicht gerichtlich angefochten wird. Das Zentrum umfasst zwei Gebäude. Eins für Frauen und Familien, ein anderes für Männer. Es gehört zu unserer Erstaufnahme-Einrichtung. Wir haben aber auch noch Kapazitäten in Frankfurt/Oder und Wünsdorf.

Frage: Es gibt auch ein Dublin-Zentrum in Hamburg. Zwei Modell-Projekte also. Sie klingen aber nicht so richtig begeistert…

Antwort: Ich unterstütze die Intention des Bundesinnenministeriums und des Innenministeriums von Brandenburg. Es geht um schnelle und effiziente Rücküberstellungen. Das ist verständlich. Eine Achillesferse ist die Arbeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Hier vor Ort ist das BAMF schnell, doch die zentrale Bearbeitung der Dublin-Fälle in Berlin und Dortmund mit dem zuständigen Dublin-Referat ist zu langsam und teilweise ineffizient.

Frage: Können Sie das etwas erläutern?

Antwort: Seien wir realistisch: Die Rückkehrquote bei allen Dublin-Geflüchteten liegt zwischen 60 und 70 Prozent. Viele kommen innerhalb weniger Tage wieder zurück nach Deutschland. Die sogenannten Drehtürfälle. Hier sind wir in Diskussionen mit dem BAMF, dass dann, wenn jemand zurückkommt, das ganze komplette Asyl-Verfahren wieder bei null beginnt. Dies geschieht aus Rücksicht auf europäische Regeln. Allerdings kann man das Verfahren auch unter Beachtung europäischer Vorschriften schneller und effizienter gestalten. Es fehlt an Bereitschaft und Fantasie.

Frage: Wie könnte man es besser machen?

Antwort: Durch Verkürzen. Kommt jemand, der bereits überstellt worden ist, illegal zurück nach Deutschland, sollte man sofort ein neues Erstellungsgesuch nach Polen oder ein anderes EU-Land aufsetzen können, ohne zuvor wieder eine neue Akte anzulegen und damit einen neuen Asyl-Fall zu kreieren. Wenn Polen ja sagt, wird kein neuer Dublin-Bescheid gemacht, sondern nur eine neue Ausreiseanordnung, die für sofort vollziehbar erklärt wird. Sprich: der Mensch wird schnell wieder überstellt. Dazu müsste sich das BAMF dazu durchringen, offensichtlich rechtsmissbräuchlich gestellte Folgeanträge von kurz zuvor überstellten Personen als unstatthaft anzusehen, also gar nicht erst anzunehmen. Ein anerkennungswürdiges Rechtsschutzinteresse fehlt in diesen Drehtürfällen in aller Regel.

Frage: Läuft die Zusammenarbeit mit den polnischen Behörden denn gut? Ministerpräsident Donald Tusk hat erst kürzlich eine Art Verzögerung oder Blockierung des Europäischen Asylrechts eingeleitet.

Antwort: Polen ist seit Jahren ein äußerst schneller und korrekter Partner. Wenn sie für jemand verantwortlich sind, melden sie das und nehmen die Leute schnell an.

Frage: Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Ländern in Sachen Abschiebung gern Vollzugsdefizite vorgeworfen…

Antwort: Das war wohlfeil, weil allein der Bund über die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland entscheidet und ausschließlich der Bund die maßgeblichen Rahmenbedingungen für die Rückführung, wie etwa Rücknahmeabkommen mit den relevanten Herkunftsländern, gestaltet. Die einschlägigen Rechtsvorschriften im Asyl- und Aufenthaltsrecht, welche für die Ausländerbehörden immer schwieriger zu vollziehen sind, sind Bundesrecht. Scholz als Volljurist müsste das eigentlich wissen. Die Wähler haben kein Verständnis dafür, wenn das Land regiert wird, ohne die Probleme zu lösen, welche für die Mehrheit Bevölkerung am dringendsten sind.

Frage: Was für Wünsche haben Sie an die neue Regierung?

Antwort: Mehr Europa wagen. Die Europäer müssen konsequent zusammenarbeiten und die Außengrenzen schützen. Menschen, die nach Europa reinwollen, müssen gültige Papiere haben. Haben sie die nicht, was auf der Flucht passieren kann, müssen sie andere Mittel angeben, um zweifelsfrei ihre Identität nachweisen zu können. Jeder hat doch heute ein Handy dabei. Doch viele bekommen von Schleusern den Tipp, ihre Identität nicht anzugeben. Hier müssen wir konsequenter sein.

Frage: Das klingt so, als wenn die Zahl echter Flüchtlinge überschaubar ist.

Antwort: Die allermeisten Menschen, die als Flüchtlinge hierhergekommen sind, stammen nicht aus einer Krisen-Situation. Viele kommen aus sicheren Drittstaaten wie der Türkei, wo sie lang genug gearbeitet haben, um einen Schleuser zu bezahlen. Das ist die Realität. Das heißt: sehr viele sind keine unmittelbar Verfolgten. Man kann Migration besser und effektiver steuern, wenn man will.

Frage: Wie denn?

Antwort: Man muss sich konsequent von der “No nation, no border”-Philosophie verabschieden, die sowieso nicht auf die Schutzbedürftigkeit im Einzelfall schaut, sondern aufs Prinzip. Da wird alles, was eine Einschränkung auf der Zuzugsseite bedeutet, genauso vehement bekämpft wie die Verpflichtung zur Rückkehr. Stattdessen müsste man in Deutschland, so wie in allen klassischen Einwanderungsstaaten seit jeher, Migration nach den eigenen staatlichen Interessen steuern. Das heißt den Zuzug in den Arbeitsmarkt sowie in Forschung und Lehre fördern und den Zuzug in die Sozialsysteme auf humanitäre Härtefälle begrenzen.

Man müsste zudem sehr viel konsequenter in Fällen vorgehen, in denen Menschen, die Deutschland aufgenommen hat, offensichtlich nicht nach den hier geltenden Regeln leben wollen, Straftaten begehen und keine Bereitschaft zur Integration zeigen. Leider tun wir weder das eine noch das andere. Geflüchtete werden in die Sozialsysteme gezwungen, obwohl die meisten arbeiten wollen und die Abschiebung von Straftätern und Integrationsverweigerern wird in vielfacher Weise erschwert.