Zum 85. Jahrestag der NS-Novemberpogrome fordern leitende Geistliche in Nordrhein-Westfalen ein entschiedenes Einschreiten gegen Antisemitismus. “Es schockiert mich zutiefst, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder existenzielle Ängste um ihre Sicherheit ausstehen müssen”, sagte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck am Mittwoch und angesichts antisemitischer Demonstrationen und Gewalttaten in Folge des Hamas-Angriffs auf Israel. Dies müsse mit allen demokratischen Mitteln bekämpft werden.
Ähnlich äußerte sich der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel. Es sei eine Schande, dass in Deutschland jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger jetzt wieder Angst haben müssten, wenn ihre Kinder zur Kita gehen, wenn sie eine Kippa oder einen Davidstern am Hals auf der Straße tragen oder wenn anti-israelische Kundgebungen stattfinden und Israel-Fahnen brennen.
“Antisemitismus hat bei uns nichts zu suchen: nicht auf unseren Straßen oder Schulhöfen, nicht in Kirchen oder Moscheen, nicht an Stammtischen, nicht in Chaträumen oder bei Demonstrationen, nicht in unserem Land. Nirgendwo”, so Latzel. “Wir dürfen nicht schweigen! Wir müssen handeln, wenn unsere jüdischen Geschwister bedroht werden.”
Am vergangenen Freitag waren hunderte Menschen bei einer als propalästinensisch ausgegebenen Demonstration mit islamistisch geprägten Parolen und Plakaten durch die Essener Innenstadt gezogen. Dazu sagte Overbeck: “Wir dürfen nicht akzeptieren, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ausgenutzt wird.”
Bei den Novemberpogromen wurden nach unterschiedlichen Schätzungen vom 7. bis 13. November 1938 im damaligen Reichsgebiet zwischen 400 und 1.300 Menschen ermordet oder in den Suizid getrieben. Mehr als 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie Tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Rund 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt. Den Exzess hatte das NS-Regime organisiert und gelenkt.