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Leidtragende unter dem Kreuz

Vor allem Opfergruppen und Laien zeigen sich enttäuscht vom Krisengipfel im Vatikan. Andere sehen zumindest einen ersten Schritt in Richtung Kirchenreform.

ROM – Nach dem Krisengipfel zum Missbrauchsskandal im Vatikan werden die Rufe nach einer umfassenden Reform der katholischen Kirche lauter. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) forderte mehr Aufklärungswillen von den Verantwortlichen. Die Konferenz könne nur ein Anfang gewesen sein, erklärte sie in Berlin. „Der Gedanke, dass noch heute Menschen in der katholischen Kirche Verantwortung tragen, die Kinder sexuell missbraucht haben, ist unerträglich“, sagte Giffey, in deren Ressort der Unabhängige Missbrauchsbeauftragte angesiedelt ist.
Die katholische Laienbewegung „Wir sind Kirche“ erklärte, der weltweite Glaubwürdigkeitsverlust der katholischen Kirche sei so groß, dass jetzt schnellstens vom Vatikan wie auch in den Ortskirchen verbindliche Regeln aufgestellt werden müssten, wie mit Verdachtsfällen umzugehen sei. „Doch es scheint unter den versammelten Bischöfen immer noch welche zu geben, die sexualisierte Gewalt als marginal betrachten und jede Reform blockieren“, sagte der Sprecher der Kirchenvolksbewegung, Christian Weisner, in München.

Der Mannheimer Psychiater Harald Dreßing sagte, er könne die enttäuschten Reaktionen der Betroffenen gut verstehen. Man müsse nun abwarten, ob den Worten auch Taten folgten. „Ich habe aber den Eindruck, dass weder die Betroffenen, noch die Gläubigen und die gesamte Gesellschaft bereit sind, hier noch sehr viel Geduld walten zu lassen“, sagte er. Dreßing lobte jedoch das Verhalten des Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Dass dieser in Rom Betroffene besucht habe, sei ein wichtiges Zeichen. „Aber eigentlich hätten alle Kardinäle in Rom im Büßerhemd zu den Betroffenen ausziehen müssen und zusammen mit ihnen nach Lösungen suchen müssen“, sagte der Koordinator der im September veröffentlichten Studie zu Missbrauchsfällen im Gebiet der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.

Der Moderator des Bischofs-Gipfels zum Missbrauchsskandal, Federico Lombardi, zog hingegen trotz der scharfen Kritik von Opferverbänden eine positive Bilanz der Konferenz. In den Beratungen mit Papst Franziskus und den Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen aus aller Welt seien auch schwierige Fragen deutlich angesprochen worden, erklärte der Jesuitenpater laut dem vatikanischen Internetportal Vaticannews. Das sei ein „großer Schritt vorwärts“. Bislang hatten vor allem Bischöfe aus Afrika das Thema Missbrauch nicht als ihr Problem gesehen, sondern auf Gemeinden in Ländern wie Deutschland und den USA beschränkt.
Zum Abschluss des Gipfeltreffens hatte Papst Franziskus ein konsequenteres Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche zugesagt. Die Kirche werde künftig jedem Vorwurf gegen Priester nachgehen, versicherte der Papst. Wenn Missbrauch in der Kirche erfolge, machten sich die Täter zum „Werkzeug des Teufels“. Zu Beginn der Tagung hatte er ein Maßnahmenpapier vorgestellt, das unter anderem Erleichterungen für Betroffene beinhaltet, die Anzeige gegen mutmaßliche Täter erstatten wollen. epd