Aufrecht und selbstbewusst trotzt sie Wind und Wetter und begrüßt die Ankömmlinge aus aller Welt: Rund vier Millionen Menschen besuchen jedes Jahr die Freiheitsstatue im Hafen von New York. Die rechte Hand mit einer Fackel streckt sie gen Himmel, in der Linken trägt „Lady Liberty“ eine Tafel mit der Unabhängigkeitserklärung der USA. „JULY IV MDCCLXXVI“ steht als Datum darauf: 4. Juli 1776, der Tag, an dem sich 13 Kolonien in Amerika von Großbritannien loslösten. Mit Feuerwerken, Paraden und Picknicks feiern die US-Amerikaner jedes Jahr den Unabhängigkeitstag am 4. Juli.
Die hellgrüne, kupferne „Lady“ mit ihrer mehrlagigen, locker in Falten gelegten Robe steht fest auf einer Insel und wirkt dabei keineswegs statisch: Seit 1886 schreitet sie den ankommenden Schiffen entgegen, die Ferse des hinteren rechten Fußes leicht angehoben. Die Ketten und Fesseln, die an das Ende der Sklaverei in den USA 1865 erinnern, hat sie längst abgestreift.
Die Freiheitsstatue steht für das Versprechen einer freien und demokratischen Nation. Für Einwanderer aus Europa verkörperte sie bei der Einfahrt in den New Yorker Hafen die Verheißung Amerikas. „Gebt mir eure Müden, eure Armen, eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren“ – diese Zeilen der jüdischen Amerikanerin Emma Lazarus stehen auf dem Sockel der Statue. Sie unterstreichen die Idee von den USA als Einwanderernation, auch wenn das Land inzwischen längst eine strenge Einwanderungspolitik hat.
In 240 Kisten nach New York
Mit einer Gesamthöhe von fast 93 Metern gehört sie zu den höchsten Statuen der Welt. Die Füße sind 7,60 Meter groß, der Taillenumfang beträgt 10,67 Meter. Die sieben Zacken ihrer Krone verweisen auf die sieben Kontinente und die sieben Weltmeere. In den Anfangsjahren war die Figur, die die römische Göttin der Freiheit darstellt, rötlich-braun. Durch die Oxidation des Kupfers wurde sie nach einigen Jahren hellgrün.
Entworfen hat sie der französische Bildhauer, Architekt, Maler und Zeichner Frédéric-Auguste Bartholdi (1834-1904) aus dem elsässischen Colmar. Aus 300 gewalzten, 2,4 Millimeter dünnen Kupferplatten wurde die Freiheitsstatue in Paris geformt und aufgebaut, dann wieder in ihre Einzelteile zerlegt und in 240 Kisten nach New York transportiert.
Mithilfe von Gustav Eiffel (1832-1923), dessen Eiffelturm drei Jahre später -1889 – in Paris präsentiert wurde, entwickelte Bartholdi ein Trägersystem aus Stahl, auf das die Kupferplatten montiert wurden.
Als Geschenk Frankreichs an die USA sollte die Freiheitsstatue ursprünglich zum 100. Unabhängigkeitstag am 4. Juli 1876 ankommen. Weil aber das Geld fehlte, dauerte es noch zehn Jahre länger. Als sie am 18. Oktober 1886 eröffnet wurde, war sich Bartholdi sicher: „Sie wird die Zeit überdauern, selbst wenn wir einmal nicht mehr sind.“
„Liberty Enlightening the World“ oder auf Französisch „La Liberté éclairant le monde“ (die Freiheit erleuchtet die Welt) ist ihr offizieller Name. Ursprünglich als Leuchtturm gedacht, stellte sich aber bald heraus, dass ihr Licht nicht ausreichend hell war.
Eine Idee des Glühbirnen- und Phonographen-Erfinders Thomas Edison (1847-1931) wurde schnell verworfen: Er hätte gerne eine riesige „Sprechmaschine“ in die Figur einbauen lassen, um die Ankömmlinge auch mit Worten zu begrüßen.
Meisterwerk des menschlichen Geistes
Touristen können die Figur besuchen, die Fähre braucht von der Südspitze Manhattans 15 Minuten zur Insel Liberty Island. Seit den Terroranschlägen von 11. September 2001 müssen sie zuvor durch eine flughafenähnliche Kontrolle. Eine Wendeltreppe führt im Inneren der Statue mehr als 300 Stufen hinauf zur Krone der Freiheitsstatue, von wo aus sich ein weiter Ausblick auf Hafen und Stadt bietet.
Gleich mehrere – kleinere – Nachbildungen der Freiheitsstatue befinden sich in Paris. Auch in Bartholdis Heimatstadt Colmar wurde 2004 eine 12 Meter hohe Freiheitsstatue errichtet, zum 100. Todestag des berühmten Sohns.
Seit 1984 gehört das „Meisterwerk des menschlichen Geistes“ zum Unesco-Weltkulturerbe. Das wirkmächtige Symbol rege dazu an, über die Ideale wie Freiheit, Frieden, Menschenrechte und Demokratie nachzudenken, erklärte die UN.
Auf ihre kraftvolle Willkommensbotschaft wies der US-Bestsellerautor Dave Eggers („Der Circle“) einmal hin: „So lange Tyrannen und Terroristen unschuldige Menschen jagen, müssen wir ihnen eine Heimat bieten“, forderte Eggers, der das Bilderbuch „Her right foot“ über den rechten Fuß der berühmten Dame geschrieben hat: „Die Statue geht auf die Menschen mit ihren Sorgen zu und begegnet ihnen, schon bevor sie das Land erreichen.“