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Kunst-Experte: Nicht jede tafelnde Gemeinschaft zeigt Abendmahl

Die Aufregung um das queere Essgelage bei der olympischen Eröffnungsfeier ist selbst Tage danach noch ein Gesprächsthema. Doch in der Kunst gibt es mehr tafelnde Gemeinschaften zu finden – nicht immer nur christliche.

Bilder von Tischgemeinschaften haben in der Kunst eine lange Tradition. Doch: “Nicht jeder lange Tisch mit einer tafelnden Gemeinschaft, der einmal gemalt wurde, stellt das letzte Abendmahl dar”, sagte der Kunst-Experte Jens Burk am Donnerstag im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der Oberkonservator am Bayerischen Nationalmuseum in München und Stellvertreter des Generaldirektors räumte aber ein, dass Leonardo da Vincis berühmtes Bild vom letzten Abendmahl Eingang ins Bildgedächtnis selbst bei jenen gefunden habe, die sich mit Kunstgeschichte nicht auskennten.

Das von da Vinci im Speisesaal eines Mailänder Klosters an die Wand gemalte Bild sei nicht nur kunsthistorisch relevant, führte Burk aus. Dazu komme, dass es so viele spannende, manchmal auch witzige Adaptionen und Übersetzungen gebe bis in die Gegenwart hinein. “Es ist Teil des popkulturellen Gedächtnisses geworden.” Deshalb finde er es auch verständlich, dass die Bilder mit dem langen Tisch von der jüngsten Eröffnungsfeier für die Olympischen Spiele viele daran erinnert hätten. Die in Paris gezeigten Figuren wie die Tänzer und der Gott des Weines, der blaue Bacchus, gehörten aber eindeutig nicht dem christlichen Kontext an.

Der Kunstkenner ging auf das von dem Pariser Regisseur Thomas Jolly ins Spiel gebrachte Gemälde “Mahl der Götter” des Niederländers Jan van Bijlert ein. Auch darauf sei eine lange Tafel zu sehen, mit Apoll als zentraler Figur. “Schaut man auf die rechte Dreiergruppe mit Herkules, ähnelt diese entfernt der entsprechenden Gruppe, wie sie da Vinci für sein Abendmahl komponiert hat”, so Burk. Künstlerische Vorbilder in den eigenen Werken zu zitieren, sei damals gängige Praxis gewesen. Auch wenn die Ikonographie geändert worden sei, habe es keine Probleme gegeben: “Einen Skandal hat man daraus nicht gemacht.”

Das Festmahl der olympischen Götter sei über die Jahrhunderte immer wieder in der Kunst dargestellt worden, sagte Burk. Auch das Bayerische Nationalmuseum besitze dazu ein Elfenbeinrelief des Ulmer Bildhauers David Heschler aus dem 17. Jahrhundert. Bei diesem Gastmahl der Götter herrsche eine andere Stimmungslage als bei da Vincis christlichem Abendmahl. “Die Götter feiern ein ausgelassenes Fest, da wird Lebensfreude gezeigt. In Paris wurde das meines Erachtens ebenfalls deutlich.”