Schutzengel Oskar bekommt einen Lehrling: Die junge Mira, die sich kurz zuvor das Leben nahm – beide müssen sich den Zugang zum Paradies erst “verdienen”. Ein ungleiches Paar, das gemeinsam ungeahnte Stärke entwickelt.
Was definitiv im Gedächtnis bleiben wird, ist Harald Krassnitzers Frisur: Die halblangen, weißblonden Zotteln, die ungekämmt und leicht strähnig den Kopf des von ihm gespielten Oskar umstehen, sind zweifellos denkwürdig. Auch darüber hinaus hat die Komödie “Engel mit beschränkter Haftung”, die das Erste am 4. Dezember von 20.15 bis 21.45 Uhr ausstrahlt, viel Tolles zu bieten – herausragende Darsteller, originelle Bildeinfälle, gut ausgewählte Musik.
Und doch ist der Film nicht so rund, wie man das von den Filmen des Teams aus Drehbuchautor Uli Bree und Regisseur Dirk Kummer zuletzt gewohnt war: “Faltenfrei” und unlängst “Ungeschminkt” etwa, beide mit Krassnitzers Wiener “Tatort”-Kollegin Adele Neuhauser in der Hauptrolle, waren in sich stimmiger. Trotzdem zählt Brees und Kummers aktueller Streich noch immer mit zum Besten und stilistisch Interessantesten, das das hiesige Fernsehen zu bieten hat.
Erzählt wird die durchaus extravagante Idee einer “Engel GmbH” (so auch der ursprüngliche Arbeitstitel des Films) mit Sitz mitten auf dem Wiener Zentralfriedhof, direkt unter der wuchtigen Karl-Borromäus-Kirche. Für das Unternehmen und dessen Chefin Jona (Sascha Ö. Soydan) – die oberste Gottheit, an die Jona direkt berichtet, ist übrigens weiblich – arbeitet auch der vor über 30 Jahren verstorbene Oskar Manker (Krassnitzer). Er muss sich als Schutzengel verdingen, bis er endlich in “die ewige Rente” beziehungsweise ins Paradies entlassen wird.
Gerade hat er allerdings aus Schusseligkeit und Überforderung zwei Schutzbefohlene verloren: einen Barbesitzer, der selbst sein bester Kunde war, und die junge Drogenabhängige Mira (Maresi Riegner), die an einer Überdosis starb. Zur Strafe bekommt Oskar den Auftrag, den in diverse krumme Geschäfte verwickelten Drogendealer Pierre (Denis Schmidt) vor dem Ableben zu beschützen.
Außerdem soll er Mira als seine “Nachfolgerin” anlernen. Was dem eigenbrötlerischen Schutzengel nicht eben gefällt: Die nicht nur für eine Tote bemerkenswert forsch auftretende, redselige junge Frau mit ihren neumodischen Ideen (Nutzung von Smartphones) und Fähigkeiten (Computerspielgeschulte Gabe, Avatare und andere Lebewesen per Gedankenkraft zu “steuern”) geht dem altgedienten Schutzengel ein bisschen auf den Geist. Trotzdem schließt er sie schon bald in sein – natürlich – großes Herz.
Allerdings widerstrebt es Mira, auf Pierre aufzupassen – hat der sie doch einst an die Drogen gebracht. Und als wiederum Oskars Tochter ausgerechnet von Pierre und seinen kriminellen Kompagnons zu Betrügereien genötigt wird, ist auch der Schutzengel mit dem wirren Haarschopf persönlich involviert.
Eine originelle Erzählung also, die Bree und Kummer da mit starker Unterstützung durch Kamera, Ausstattung und Kostüm entwickeln. Auch die äußeren Koordinaten der übersinnlichen Story überzeugen: die Anwesenheit der zahlreichen Wiener Schutzengel mitten unter den Lebenden, die von Letzteren unbemerkt bleibt – bis auf einen kühlen Luftzug im Nacken. Die begrenzten Möglichkeiten der Schutzengel, die alles andere als Superhelden sind (O-Ton Oskar: “Eher Knopfzelle als Atomkraftwerk”). Oder auch ihre Art der Fortbewegung, etwa durch die (unsichtbare) Kaperung von Fahrzeugen.
Das alles ist hübsch und einfallsreich erzählt, vor allem der Auftakt reißt mit. Dabei macht insbesondere das witzig-herzerwärmende Miteinander zwischen den herrlichen Darstellern Maresi Riegner und Harald Krassnitzer großen Spaß – mit spritzigen Dialogen und flotter Inszenierung. Toll ist zudem das Setdesign, das betont altmodisch anmutende Wiener Flair – der Film erzählt auch vom Gegensatz zwischen alter (Oskar) und neuer (Mira) Welt.