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“Kommas können Leben retten”

Für die meisten sind Rechtschreibregeln staubtrocken. Dass sie auch witzig, kompakt und einprägsam sein können, dafür steht Christian Stang. Regensburgs Orthografie-Papst, wie er auch gerne genannt wird, bringt ein Büchlein nach dem anderen heraus und schreibt mit seinen praktischen Ratgebern Erfolge.

„Amüsante Rechtschreib(un)fälle“ oder „Als das Känguru sein h verlor“ heißen seine Titel. Stang setzt darauf, dass Lachen beim Lernen hilft und erklärt: Der Satz „Wir essen, Opa!“ schreit nach dem Großvater, dass nun gegessen werde. Wohingegen „Wir essen Opa!“ – also ohne Komma – als Aufruf zum Kannibalismus missverstanden werden könnte. „Kommas können Leben retten“, sagt er kurz und knapp.

Wer in Regensburg in Sachen Rechtschreibung Beratung braucht, der fragt bei Christian Stang nach. In seinem Mailpostfach landen pro Monat mehrere Hundert Anfragen von Lehrkräften, Lektoren, Dozenten oder Studierenden. Stang hat nicht studiert, er hat nicht einmal Abitur. Nach der Mittleren Reife absolvierte er eine Ausbildung für den mittleren Postdienst. Sein Fachwissen eignete er sich in jahrelangem Selbststudium an.

Im Alter von 19 Jahren veröffentlichte er seinen ersten Rechtschreib-Ratgeber. Auf seiner Publikationsliste stehen inzwischen 40 Titel. Er schreibt Kompendien, Bücher, Leporellos und Ratgeber für die renommierten Verlage Westermann und Langenscheidt – und er hat an den drei letzten Ausgaben des Rechtschreib-Dudens mitgearbeitet. Die 29. Auflage erschien im August vorigen Jahres.

Federführend betreut er dort das Thema Mikrotypografie. Dabei geht es um die korrekte Verwendung von Punkt, Komma und Strich. Davon gibt es deutschlandweit nur eine Handvoll Experten. So kann Stang sofort erklären, dass „Andreas Imbiss“ einer Frau namens Andrea gehört und „Andreas‘ Imbiss“ einem Mann namens Andreas. Laut einer orthografischen Neuregelung sei nun sogar „Andrea’s Imbiss“ zugelassen, erklärt er. „Wenn Verwechslungsgefahr besteht, kann man den Apostroph zwischen a und s setzen, wie im Englischen.“

Stang geht die Sache pragmatisch an. Er ist kein Sprachpurist und beklagt nicht den Verfall der Sprachsitten, wenn der Englisch-Apostroph immer mehr Einzug in die deutsche Sprache hält. Stattdessen sagt er: „Mit Einführung der Rechtschreibreform vor fast 30 Jahren ist diese Eigennamen-Regelung präzisiert worden, wird aber bis heute kontrovers diskutiert.“ Deshalb könne man nun ohne Weiteres „Peter’s Bioladen“ schreiben, weil es sich um einen Eigennamen handle. „Aber Peters Tasche mit Apostroph zu schreiben, das wäre falsch.“

Nominell ist Stang bis heute Postbeamter, wurde aber bereits vor Jahren an die Orthografie- und Normberatungsstelle am Zentrum für Sprache und Kommunikation der Universität Regensburg abgeordnet. Im Wesentlichen hält er dort Rechtschreib-Workshops ab und beantwortet orthografische Zweifelsfälle. Er ist 50 Jahre alt und inzwischen wohl der bekannteste Rechtschreibexperte Deutschlands.

Sogar in Zeiten von Künstlicher Intelligenz ist sein Rat gefragt. Art und Menge der Anfragen hätten sich nicht verändert, sagt Stang. „Wenn man ChatGPT benutzt und sich die Antworten anschaut, stellt man fest: Die KI beherrscht bestimmte Regeln der Mikrotypografie zum Beispiel gar nicht.“

Seine Bücher mit den Piktogrammen und bunten Illustrationen kommen jedenfalls an. „Deutsch-Spickzettel. Stolpersteine von A wie Atmosphäre bis Z wie Zucchini“ ist in der ersten Auflage erschienen. Sein Bestseller ist der im Dudenverlag vor vielen Jahren erschienene Ratgeber „Deutsche Rechtschreibung – kurz gefasst“, der immer wieder den orthografischen Modifizierungen angepasst wurde und in zahlreichen Ausgaben erschienen ist.

Seine Rechtschreibhilfen können sich große und kleine Schreibfüchse aber auch als Schreibunterlage auf den Tisch legen. Die wichtigsten Regeln zur Mikrotypografie „Punkt, Punkt, Komma, Strich“ sind als Leporello zum Auseinanderfalten zu finden. Auf einem Becher „Orthografie macht Spaß!“ können die Schreibweisen von Tee-Ei bis Tee-Ernte studiert werden.

In der Orthografie müsse viel weniger der Rotstift regieren, benennt Stang sein Credo. „Rechtschreibung soll vor allem Sinn machen und der leichteren Kommunikation dienen.“ Amüsant und interessant werde es immer dann, wenn „hinter die Regeln“ geblickt werde, so wie bei den lebensrettenden Kommas. (0924/19.03.2025)