Biografischer Film mit und über die Cineasten Erika und Ulrich Gregor, die unter anderem als Begründer des “Forums” der Berlinale deutsche Kinokulturgeschichte schrieben.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Ein biografischer Film von 2022 mit und über die Cineasten Erika und Ulrich Gregor, die unter anderem als Begründer der “Freunde der deutschen Kinemathek”, des Kino Arsenal in Berlin und des “Internationalen Forum des jungen Films” deutsche Kino- und Kulturgeschichte geschrieben haben. Der Film von Alice Agneskirchner lässt die Vergangenheit des Paares, die sich mit der Zeit- und Filmgeschichte verschränkt, lebendig werden, behält dabei aber auch die Gegenwart stets im Blick.
Aus Interviews, vielen Filmausschnitten und einer spielerischen Dramaturgie resultiert eine eindrucksvolle Begegnung mit zwei außergewöhnlichen Menschen sowie ein Querschnitt durch die Geschichte der Filmkunst
Der Beginn zeigt Erika und Ulrich Gregor, die inzwischen auf die 90 zugehen, in einer typischen Konstellation: Erika Gregor gibt Anweisungen, ihr Mann macht alles so, wie sie es möchte, und beide sind damit glücklich. Die Gregors sind ein Paar, das seit mehr als 60 Jahren verheiratet ist; eine symbiotische Einheit. Beinahe in jeder Sekunde ist zu spüren, wie gut sie aufeinander eingespielt sind und wie viel sie miteinander gemeinsam haben. Das ist vor allem die Liebe zum Kino.
Für den Film “Komm mit mir in das Cinema” von Alice Agneskirchner reisen sie durch ihrer beider Leben und durch die Filme, die sie beeinflusst haben. Mehr als 100.000 Werke haben sie insgesamt gesehen. Oft waren und sind sie dabei unterschiedlicher Meinung, und genau das brachte sie 1957 zusammen. Nach einer Aufführung von “Menschen am Sonntag” im Filmclub der FU Berlin äußerte sich die 23-jährige Studentin Erika, frisch aus Göttingen nach Berlin gekommen, kritisch über den Film.
“Sie brachte Zündpulver ins Audimax”, sagt Ulrich Gregor. Die Einladung zum Bier hinterher schlug sie aus, Als junge Frau mit unbekannten Männern ausgehen? Das war in den 1950er-Jahren unvorstellbar. Ulrich Gregor bat beim Abschied: “Bitte, bitte wiederkommen!” Er war damals gerade aus Paris zurückgekehrt, wo er an der Sorbonne Romanistik studiert hatte. Eigentlich war er nur wegen der Kinos und der Filme in Paris, denn dort gab es eine lebendige Filmlandschaft – ganz im Gegensatz zum Nachkriegsdeutschland, wo der Heimatfilm regierte.
Die junge Frau kam wieder, und sie wurden ein Paar. Sie wollten beide etwas anderes als Heile-Welt-Schmonzetten, sie suchten den Diskurs, die Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit und mit ihrer Elterngeneration, die künstlerische Herausforderung, das Experiment. Ihre erste gemeinsame Nacht verbrachten sie am Schneidetisch, wo sie die Dialoge von “Bestie Mensch” übersetzten.
Auf Ulrichs Vespa brummten sie durch Berlin, balancierten dabei sperrige Filmkopien und klingelten schon mal bei der sowjetischen Botschaft mit der Frage, ob sie “Ein Menschenschicksal” von Sergej Bondartschuk an der FU zeigen dürften. Bald darauf teilte eine Mauer die Stadt, aber die Gregors, seit 1960 verheiratet, ließen sich nur wenig von äußeren Umständen beeindrucken. Sie wollten Altes und Neues, Ost und West im Film verbinden, sie wollten Kunst und Wirklichkeit zeigen und immer auch darüber diskutieren.
Das Oberhausener Manifest brachte frischen Wind in die deutsche Filmszene, und die Gregors zogen mit. Sie gründeten den Verein “Freunde der Deutschen Kinemathek” und präsentierten Filmgeschichte für alle. 1970 eröffneten sie ihr eigenes Kino, das “Arsenal”, mitten in West-Berlin, in einer unscheinbaren Seitenstraße. Es wurde zum Prototyp der Kommunalen Kinos. 1971 begann die Zusammenarbeit mit der Berlinale.
Das “Internationale Forum des Jungen Films” avancierte zum cineastischen Aushängeschild des Festivals und bot Filmkunst, Experimente und immer wieder Neuentdeckungen. 30 Jahre lang leiteten Erika und Ulrich Gregor die Sektion, die nicht nur die Berlinale nachhaltig veränderte, sondern auch Vorbild für viele andere Festivals wurde.
In einfallsreich gestalteten Bildern mit vielen Filmausschnitten aus 100 Jahren Kinogeschichte, mit Originalaufnahmen, Fotos und Interviewsequenzen mit den Gregors sowie ihren Wegbegleitern lässt der Film zweieinhalb kurzweilige Stunden lang die Biografien der beiden lebendig werden, die untrennbar mit dem deutschen und internationalen Filmschaffen verbunden sind. Aus der Konstellation “zwei Menschen in ihrer Zeit” entwickelt Alice Agneskirchner eine Kulturgeschichte des Kinos und der Filmkunst.