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Knapp drei Millionen Menschen auf Pflegebedürftigkeit untersucht

Immer mehr Menschen in Deutschland sind auf Pflege angewiesen. In welchem Ausmaß, stellt der Medizinische Dienst fest. Und fordert angesichts eines Anstiegs der Fälle weniger Restriktionen bei der Begutachtung.

Der Medizinische Dienst hat im vergangenen Jahr bundesweit nahezu drei Millionen Menschen auf ihre Pflegebedürftigkeit begutachtet. Dabei sei bei mehr als der Hälfte der Personen der zweite oder dritte Pflegegrad festgestellt worden, erklärte der Medizinische Dienst Bund am Donnerstag in Berlin. Weitere knapp 18 Prozent erhielten einen Pflegegrad vier oder fünf. Beim Rest sei kein oder der niedrigste Pflegegrad ermittelt worden. Der Pflegegrad bestimmt, welche Leistungen die Pflegeversicherung übernimmt, beispielsweise die Höhe des monatlichen Pflegegeldes oder Sachleistungen wie ein Rollator.

“Die Anzahl der Begutachtungen steigt weiter kontinuierlich an”, sagte die Vizevorstandsvorsitzende Carola Engler. Insbesondere das Plus von etwa 20 Prozent einer festgestellten Pflegebedürftigkeit bei Menschen unter 50 Jahren sei erheblich und überraschend. Die Gründe hierfür seien nicht ganz klar, führte Engler aus. Die Corona-Pandemie und Long-Covid könnten ein Faktor sein, es gebe aber auch mehr Fälle von Demenz.

Es wundere sie jedoch sehr die Äußerung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass der hohe Anstieg der Gesamtzahl Pflegebedürftiger unerwartet gewesen sei, fügte Engler hinzu. Lauterbach hatte das jüngst veröffentlichte Plus von 360.000 Pflegebedürftigen im vergangenen Jahr als “nahezu explosionsartig” bezeichnet. Der Medizinische Dienst habe dieses Plus seit Jahren gesehen und benannt, betonte Engler. Das beträfe nicht nur die Neubegutachtungen, sondern auch Höherstufungen bei den Pflegegraden.

Der Medizinische Dienst wünscht sich daher mehr Flexibilität bei der Begutachtung. “Die Pflegebegutachtung muss weiterentwickelt und modernisiert werden”, so Engler. Der Hausbesuch bleibe der Standard, aber es brauche darüber hinaus neue Modelle. Etwa eine Videobegutachtung und eventuell auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Bisher seien die Möglichkeiten einer fernmündlichen Begutachtung sehr restriktiv. Dabei dürfe die Aufgabe aber nicht auf Pflegekräfte oder Einrichtungen übertragen werden, betonten die Experten. Die Unabhängigkeit und Expertise des Medizinischen Dienstes bleibe essenziell.