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Kirsten Fehrs bleibt an der Spitze der EKD – trotz Vorwürfen

Bislang hatte sie das Amt nur kommissarisch inne: Nun ist die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs ganz offiziell Ratsvorsitzende der EKD. Kurz vor ihrer Wahl wurden überraschend Vorwürfe laut.

Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs steht auch die nächsten drei Jahre an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die 63-jährige Theologin wurde am Dienstag bei der Tagung des Kirchenparlaments in Würzburg zur Vorsitzenden des Rats der EKD gewählt. Fehrs sagte, das Amt flöße ihr gehörigen Respekt ein. “Wir alle wissen, dass wir in den nächsten Jahren schwierige Themen zu bearbeiten haben und Veränderungen auf den Weg zu bringen haben.” Als Beispiele nannte sie die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und den Mitgliederschwund der Kirche.

Fehrs erhielt 97 der insgesamt 130 abgegebenen Stimmen und kam damit über die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. 19 Wahlberechtigte enthielten sich, 14 stimmten gegen Fehrs. Die Geistliche hatte das Amt bereits seit einem Jahr kommissarisch ausgeübt, nachdem ihre Vorgängerin Annette Kurschus zurückgetreten war. Kurschus hatte damit auf Vorwürfe reagiert, mit einem Missbrauchsfall falsch umgegangen zu sein. Der Fall wird derzeit noch aufgearbeitet.

Vorwürfe gegen Fehrs

Auch gegen Fehrs wurden kurz vor ihrer Wahl überraschend Vorwürfe laut. Bei der Tagung des Kirchenparlaments war am Montagnachmittag eine “Anwältin des Publikums” vor Ort, um Missbrauchsbetroffene zu Wort kommen zu lassen. Sie las die E-Mail eines Mannes vor, in der er Fehrs beschuldigt, sie habe als Hamburger Bischöfin den Aufarbeitungsprozess einer Betroffenen in der Nordkirche bewusst scheitern lassen.

Fehrs sagte vor Journalisten, der Mann erhebe die Vorwürfe schon seit Jahren. Sie seien gegenstandslos. Der Fall werde in der Nordkirche regelhaft aufgearbeitet. EKD-Ratsmitglied Andreas Barner sagte, für ein Fehlverhalten Fehrs’ sehe der Rat keine Anhaltspunkte. Sie habe sich in den vergangenen Jahren aktiv und überzeugend für Aufarbeitung von Missbrauch eingesetzt.

Katholische Kirche gratuliert

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, gratulierte Fehrs als einer der ersten zur Wahl. Er sei dankbar für die klaren gesellschaftspolitischen Positionen, die katholische und evangelische Kirche verbinden würden, so Bätzing in einem Brief. Als Beispiele nannte er den Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und das Kriegsgeschrei in der Welt. “Als Christinnen und Christen müssen wir gemeinsam für den Frieden einstehen und die Menschen an den Rändern der Gesellschaft fest im Blick haben.”

Fehrs, die seit über 30 Jahren mit einem Pastor verheiratet ist, stammt aus dem Westen Schleswig-Holsteins und wurde 1990 zur Pastorin ordiniert. Ab 2006 war sie Pröpstin im Kirchenkreis Hamburg-Ost und Hauptpastorin an der Hauptkirche Sankt Jacobi. Seit 13 Jahren ist sie Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck in der von Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt geleiteten Nordkirche.

EKD vertritt knapp 19 Millionen Protestanten

Zum stellvertretenden Ratsvorsitzenden wurde der sächsische Landesbischof Tobias Bilz (60) gewählt. Der Rat leitet die EKD in allen wichtigen Angelegenheiten und gilt als öffentliche Stimme der evangelischen Kirche. Die EKD ist der Zusammenschluss aller 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Sie vertritt rund 18,6 Millionen protestantische Christen in der Bundesrepublik.