Ein buntes Glaubensfest mit vielen politschen Botschaften: Der Evangelische Kirchentag in Hannover bot viele Facetten – und so manchen Schlagabtausch.
Der Evangelische Kirchentag in Hannover ist am Sonntag mit einem stimmungsvollen Festgottesdienst in der Innenstadt zu Ende gegangen. Das fünftägige Glaubensfest mit politischen Diskussionen stand unter dem Motto “mutig stark beherzt”. Nach Veranstalterangaben nahmen 81.000 Menschen teil, 11.000 mehr als beim vorherigen Kirchentag 2023 in Nürnberg. Beim “Abend der Begegnung” in der Innenstadt, der auch ohne Ticket besucht werden kann, waren 150.000 Menschen dabei. Zu einer ausgelassenen Stimmung trug das überwiegend trockene und über weite Strecken sonnige Wetter bei.
Angesichts zahlreicher Krisen und Kriege setzten viele Akteure ein Signal der Zuversicht. Größere Debatten gab es über das Verhältnis der Kirche zur Politik sowie um ihre Position zum Einsatz von Waffen. Außerhalb des offiziellen Programms hatten pazifistische Gruppen ein Friedenszentrum organisiert. Nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch verabschiedete der Kirchentag eine Resolution für ein Verbot der Partei.
Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund zog ein positives Fazit und sprach von einem fröhlichen, argumentationsstarken und sicheren Kirchentag. Zur Debatte über Kirche und Politik betonte sie: “Wir halten uns nicht raus und wir mischen uns ein.”
Der Kirchentag setzte auch zahlreiche ökumenische Akzente. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, kam zu einer Bibelarbeit und sagte dabei zu, sich für die Priesterweihe von Frauen einzusetzen. Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer, zu dessen Bistum Hannover gehört, feierte mit dem hannoverschen Landesbischof Ralf Meister einen Gottesdienst “op platt”. Wilmer verteidigt im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) die politischen Stellungnahmen der Kirche, die aber nicht parteipolitisch sein dürften. Zudem plädierte er dafür, dass beide Konfessionen die Christentreffen gemeinsam ausrichten.
Beim Abschlussgottesdienst vor der schlossartigen Kulisse des Neuen Rathauses predigte die in Princeton (USA) lehrende Theologin Hanna Reichel. Sie kritisierte die von US-Vizepräsident J.D. Vance vertretene Verständnis von christlicher Nächstenliebe, wonach man zuerst seine Familie, dann sein Volk und dann vielleicht andere Menschen liebe. “Gottes Liebe macht nicht an deinem Gartenzaun halt. Gottes Liebe ist weiter als dein Social Network und deine Tea-Party, und ganz bestimmt größer als dein erbärmlicher kleiner Rassismus”, sagte Reichel.
Die Debatte über das politische Engagement der Kirche hatte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner mit einem Interview angestoßen. Auf dem Kirchentag verteidigte sie ihre Position: Sie sei nicht gegen das gesellschaftspolitische Engagement der Kirche, sagte die CDU-Politikerin. “Aber sie muss ein Tick mehr sein. Und das Tick-mehr-Sein ist der Glaube.”
Die Synodenpräses der Evangelischen Kirche in Deutschland, Anna-Nicole Heinrich, wandte sich dagegen, geistliches Leben und christliche Positionierungen gegeneinander aufzurechnen. Bundesweit gebe es jede Woche Tausende Gottesdienste. Die Menschen erwarteten von der Kirche auch, dass sie sich für Benachteiligte einsetze.
Das Friedenszentrum, bei dem die frühere Bischöfin Margot Käßmann als Schirmherrin mitwirkte, veröffentlichte einen Appell gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen und höhere Rüstungsausgaben. Käßmann bat auf dem offiziellen Treffen darum, Pazifisten nicht als Putin-Versteher abzutun. Dagegen betonten andere wie der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck ein Recht auf Selbstverteidigung. Waffen dürften aber nur als letztes Mittel zum Einsatz kommen.
Eine überdurchschnittliche hohe Resonanz mit 7.500 Teilnehmenden in der Messehalle und 2.500 digital zugeschalteten Zuhörern fand die anglikanische Bischöfin von Washington, Mariann Edgar Budde. Sie hatte Donald Trump beim Gottesdienst zu seiner Amtseinführung öffentlichkeitswirksam um Barmherzigkeit für Migranten und sexuelle Minderheiten gebeten.