Die reformierte Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden hat Lehren aus der Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche angemahnt. „Die große Chance der Studie besteht darin, ein Verständnis für die Strukturen zu ermöglichen, die sexualisierte Gewalt in der Kirche begünstigen“, sagte sie am Donnerstag vor der in Emden tagenden Synode. Die Empfehlungen der Studie zur Aufarbeitung, Intervention und Prävention müssten genutzt werden. „Auch in unserer Kirche besteht an dieser Stelle noch deutlicher Lernbedarf.“
Der unabhängige Forschungsverbund ForuM hatte Ende Januar eine bundesweite Studie über sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie veröffentlicht. Dabei wurden mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte ermittelt. Die tatsächliche Zahl liegt nach Aussagen der Forscher deutlich höher.
Bis heute zeige sich, dass sich die Kirchenvorstände im Falle einer Anschuldigung „oftmals zunächst reflexhaft hinter die ihnen anvertrauten eigenen Mitarbeitenden stellen“. Das dürfe nicht dazu führen, dass die Belange der Betroffenen außen vor blieben, deren Aussagen bezweifelt oder verharmlost werden oder gar eine Täter-Opfer-Umkehr stattfinde, warnte Bei der Wieden.
Derzeit beschäftigten die Kirchenleitung die bereits bekannten Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt in zwei Kitas der Landeskirche. In diesen Fällen ermittele die Staatsanwaltschaft. Außerdem gehe es um einen inzwischen pensionierten Pastor, der in den 1980er und 1990er Jahren mutmaßlich sexuelle Gewalt ausgeübt hat. In diesem Fall ziehe sich das bereits eingeleitete kirchliche Disziplinarverfahren in die Länge, da ein weiterer Fall gemeldet worden sei. Der müsse ebenfalls zunächst aufgearbeitet werden. Erst im Anschluss sei eine Anklage vor der Disziplinarkammer der EKD möglich, erläuterte die Kirchenpräsidentin.
Die Synode besserte am Donnerstag das bereits vor zwei Jahren beschlossene Gesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt nach. Künftig solle es in den Regionen der Landeskirche mehrere Ansprechpersonen für die Prävention geben. Zudem ist bei Verdachtsfällen der normale Dienstweg zur Meldung nicht mehr zulässig. Verdachtsfälle müssen nun direkt bei der Meldestelle gemeldet werden. Weiter müssen bis Ende 2025 alle Gemeinden und Einrichtungen eigene Präventionskonzepte vorlegen.