Zwei Kirchenleute aus Peru charakterisieren den neuen Papst Leo XIV. als zupackend, tatkräftig und vermittelnd zwischen Konservativen und Liberalen. Sie kennen Robert Prevost aus seiner Zeit als Missionar und Bischof.
Die Katholiken in Peru feiern Papst Leo XIV. als “ihren” Papst. Denn der US-Amerikaner lebte und arbeitete als Missionar und Bischof lange in dem lateinamerikanischen Land. Ihre Eindrücke aus Lima schildern Jürgen Huber und Tibereo Szeles. Huber engagiert sich seit Jahren für die Peru-Partnerschaft des Erzbistums Freiburg. Szeles ist Pfarrer im Bistum Chosica, nahe der peruanischen Hauptstadt.
Frage: Wofür steht der neue Papst, wie haben Sie ihn während seiner Zeit als Missionar und Bischof in Peru erlebt?
Jürgen Huber: Bei Naturkatastrophen wie den schweren Überschwemmungen 2017 hat Robert Prevost tatkräftig mit angepackt und Hilfen organisiert. Und als während der Corona-Pandemie viele Menschen an Sauerstoffmangel starben, hat er durch Solidaritätsaktionen eine Sauerstoffanlage finanzieren können, um Kranke mit Sauerstoff beatmen zu können. Er hat sich zudem insbesondere für Migranten eingesetzt.
Und er steht für eine synodale, alle einbeziehende Kirche. Als Bischof der Diözese Chiclayo hat er Brücken zwischen den verschiedenen kirchlichen Strömungen aufgebaut. Denn vor seinem Amtsantritt 2015 war die Diözese sehr konservativ, weil sie von Bischöfen der Gemeinschaft Opus Dei geleitet wurde.
Tiberio Szeles: Ich habe Bischof Robert Prevost in Peru vor allem als einen zugewandten, geistlich geprägten Menschen erlebt. Besonders lag ihm die Ausbildung von Priestern, die synodale Zusammenarbeit sowie der Einsatz für soziale Gerechtigkeit am Herzen.
Frage: Viele sehen es sehr kritisch, dass ein US-Amerikaner zum Papst gewählt wurde. Besteht die Gefahr, dass US-Präsident Trump den Papst vereinnahmt?
Tiberio Szeles: Diese Skepsis ist nachvollziehbar – gerade in einem weltpolitischen Klima, das stark von Polarisierungen geprägt ist. Die USA sind ein wirtschaftlicher und politischer Gigant, aber auch ein Symbol für bestimmte kulturelle und geopolitische Interessen. Doch hier lohnt sich ein genauerer Blick auf die Biografie von Robert Prevost. Zwar ist er in den USA geboren, aber er hat fast sein ganzes priesterliches Leben außerhalb der USA verbracht: in Lateinamerika, in Rom.
Gerade seine Zeit in Peru hat ihn geprägt – spirituell, theologisch und kulturell. Er hat dort nicht als US-Amerikaner gelebt, sondern als Bruder im Glauben, als einfacher Diener der Kirche. Ich denke nicht, dass er sich von Politik oder nationalen Interessen vernahmen lässt. Dafür ist seine spirituelle Tiefe zu groß. In einer Zeit, in der Gewalt, Spaltung und Populismus weltweit zunehmen, braucht es eine Stimme, die über den Lagern steht.
Jürgen Huber: Ich sehe keine Gefahr, dass der Papst von Trump vereinnahmt wird. Ich denke vielmehr, dass Papst Leo mit Trump und anderen Präsidenten in den Dialog geht, um Brücken für einen gerechten Frieden und eine wirkliche Solidarität mit den Armen und Ausgegrenzten zu bauen.
Frage: Wie kann der neue Papst die bei seinem ersten Auftritt betonte zentrale Friedensbotschaft glaubwürdig und überparteilich vertreten?
Tiberio Szeles: Es wird sicher Beobachter geben, die ihn auf seine Herkunft reduzieren. Aber: Je mehr er seinen eigenen Stil entfaltet und aus seiner biografischen Weite heraus agiert, desto deutlicher wird sichtbar, dass er ein Papst der Weltkirche ist – und kein Vertreter eines Landes oder Blocks.
Ich sehe es fast als ein prophetisches Zeichen, dass gerade jetzt ein Mann aus den USA als dem globalen Machtzentrum gewählt wurde, der gelernt hat, von den Rändern her, aus der Peripherie zu denken. Das ist für die Kirche und die Welt ein starkes Zeichen.
Frage: Auch viele Katholikinnen und Katholiken in Peru haben die Papstwahl ausgelassen gefeiert…
Jürgen Huber: Ja! Die Peruaner haben groß gefeiert, weil sie den neuen Papst als “ihren”, peruanischen Papst sehen – und nicht als US-Amerikaner. Sie erhoffen sich, dass der Papst sie nicht vergisst und sie in Peru besuchen kommt. Auch wenn Papst Franziskus leider nie als Papst in seiner Heimat Argentinien war.
Tiberio Szeles: In vielen Pfarreien wurde spontan gebetet, gefeiert, gesungen. Gerade in den armen Stadtvierteln und in ländlichen Regionen spürte man eine echte Begeisterung: Einer von uns ist Papst geworden.
Frage: Was erhoffen sich die Menschen in Peru vom neuen Papst? Was kann er für die Peruaner verändern?
Huber: Sie hoffen, dass er das weiterführt, was Franziskus angestoßen hat. Eine Fortsetzung der Reformen hin zu einer synodalen, gemeinschaftlich gestalteten Kirche. Eine Kirche, die Partei ergreift für Migranten, Armen und Ausgegrenzte, für den Schutz der Natur und vor allem für das Amazonasgebiet. Leo XIV. kann sie im Kampf gegen Ungerechtigkeit, gegen Autokratie unterstützen.
Tiberio Szeles: Die Peruanerinnen und Peruaner hoffen, dass ihre Sorgen und auch ihre Hoffnungen in der Weltkirche ernst genommen werden. Dass der globale Süden nicht mehr nur Empfänger ist, sondern in den Entscheidungsprozessen der Kirche und der Welt wirklich mitredet.