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Kirchengemeinden solidarisieren sich mit jüdischen Gemeinden

In Joachimsthal nördlich von Berlin gab es antisemitische Schmierereien am Rathaus und an der Kirche. Wie sich Gemeinden der Landeskirche solidarisieren mit jüdischen Gemeinden.

Israel-Fahne bei der Demostration in Berlin am 22. Oktober (Symbolbild)
Israel-Fahne bei der Demostration in Berlin am 22. Oktober (Symbolbild)Katharina Körting

Dieser Artikel sollte sich antisemitischen Schmierereien widmen, die an der Kirche in Joachimsthal im Kirchenkreis Barnim in der Nacht zum 15. Oktober angebracht wurden. Es handle sich um eine dunkle Ecke in der Schulstraße, sagt Pfarrer Daniel Koppehl, „im Schatten einer großen Linde und schwer einsehbar“. Gemeindeglieder hätten das Graffito nach dem sonntäglichen Gottesdienst entdeckt. „Wir rangen um Fassung“, erinnert sich Koppehl. Am selben Tag fand man einen Davidstern am Rathaus der kleinen Stadt. „Das muss beides relativ schnell hingeschmiert worden sein“, vermutet der Pfarrer, „die Dreiecke lagen nicht gleichmäßig aufeinander.“

In derselben Nacht erschienen Hakenkreuze und Naziparolen an verschiedenen Stellen in Strausberg. Am 18. Oktober misslang dann ein Brandanschlag auf die Kahal Adass Jisroel Synagoge in der Berliner Brunnenstraße. Derweil verwechseln Pro-Palästina- Demonstrierende auf den Straßen Israelhass mit „Protest“. Und so handelt dieser Text von mehr als einem ländlichen Graffito.

Terror der Hamas zeigt sich in Antisemitismus auch hier

Seit am 7. Oktober der Terror der Hamas in Nahost eskalierte, leben auch deutsche Juden in Angst. Hauswände, hinter denen die Täter jüdische Bewohner vermuten, werden mit dem Davidstern markiert. Mitten in Berlin hört man antisemitische Parolen. Dort, wo vor 90 Jahren die Nazis und mit ihnen der Judenhass an die Macht kamen, nicht zuletzt assistiert von Theologie und Kirche. Und heute? „Wir stehen fest an der Seite unserer jüdischen Geschwister, in Israel und hier bei uns“, versichert Bischof Christian Stäblein nach Bekanntwerden der Besudelung in Joachimsthal, „wer sie angreift, greift uns an.“

Schmiererei in Joachimsthal im Kirchenkreis Barnim
Schmiererei in Joachimsthal im Kirchenkreis BarnimKG Joachimsthal

Wie sich die Solidarität in Aktion umsetzt, wird in den Gemeinden vielfach noch beraten. Wer sich umhört, spürt neben Entsetzen auch ratloses Zögern. Spezielle Kollekten seien noch nicht geplant, heißt es aus dem Kirchenkreis Charlottenburg-Wilmersdorf. „Die Angriffe in unserer unmittelbaren Nachbarschaft erschüttern uns sehr“, erklärt der Gemeindekirchenrat der Versöhnungsgemeinde Berlin-Wedding, in der Nähe der Kahal Adass Jisroel Synagoge gelegen. Man sei „solidarisch mit unseren jüdischen Nachbarn“, „es gilt, sie unbedingt zu schützen vor weiteren Anschlägen.“ Nur wie? Seit Jahren gebe es interreligiöse Dialoge, sagt Pfarrer Thomas Jeutner von der Versöhnungsgemeinde.

Interreligiöser Dialog

Alljährlich läsen Christen, Juden und Muslime in der Kapelle der Versöhnung aus ihren heiligen Schriften. In einer Stellungnahme des Gemeindekirchenrats (GKR) heißt es, man wolle „nicht zulassen, dass die Gewalt alles zunichte macht“. Deshalb rief die Gemeinde auf zur Teilnahme an einer kurzfristig organisierten Mahnwache. „Die Zivilgesellschaft muss jetzt zusammenstehen“, betont Jeutner. Auch die angrenzende Gemeinde am Weinberg äußert sich „bestürzt darüber, dass unsere Glaubensgeschwister, zu denen wir gute interreligöse Beziehungen pflegen, antisemitischen Angriffen ausgesetzt sind“, wie die Gemeindekirchenratsvorsitzende Catherine Jüdes mitteilt.

Pfarrer Matthias Motter von der Zionskirche berichtet, dass man über „weitere Zeichen“ nachdenke und sich mit Vertretern aus der Zivilgesellschaft und Politik dazu austausche. Zur zivilgesellschaftlichen Solidaritäts-Kundgebung mit Israel am 22. Oktober vor dem Brandenburger Tor rief die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit auf.

Schweigen keine Option

Vieles ist möglich – nur Schweigen nicht. „Wer sich bei antisemitischen Terrorattacken nicht mit Israel solidarisiert, ergreift Partei für den antisemitischen Terror“, sagt Samuel Salzborn, Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus. Entsprechend sieht Marion Gardei, Beauftragte der Landeskirche gegen Antisemitismus, die Kirche in der Pflicht. „Wir sind jetzt gefragt, dass wir zeigen: Nicht mit uns“, sagt sie. Es werde daher dezentral weitere Gottesdienste geben. Die „unterschiedlichen Initiativen in den Gemeinden“ begrüßt Gardei. Und empfiehlt „Mahnwachen und die Teilnahme an jüdischen Gottesdiensten nach vorheriger Anmeldung als „wichtige Zeichen der Solidarität“.

Jüdische Gemeinden laden zu gemeinsamen Abendgebeten ein

Diese stille Teilnahme an Abendgebeten, zu denen jüdische Gemeinden Gäste einladen, ist sehr willkommen, wie die Autorin jüngst in der Synagoge in der Berliner Pestalozzistraße erfuhr. Auch Superintendent Carsten Bolz war gekommen, als Vertreter des Kirchenkreises Charlottenburg-Wilmersdorf. „Wir sind viele – und wir stehen fest an eurer Seite!“, hatte er im Kirchenkreis-Blog versichert. Es gebe „eine große Solidarität mit Jüdinnen und Juden und Israel“, hört man aus diesem Kirchenkreis. In der Neuköllner Startbahn/ Genezarethkirche hat sich derweil ein neuer Singkreis gegründet unter dem Namen „Singing Circle for Prayer and Healing“.

Am 17. Oktober versammelten sich unter Anleitung von Gal Klein etwa 30 Menschen in der Kirche, darunter mehrere Israelis, gesungen wurde Deutsch und Hebräisch. „Angesichts der Situation in Nahost waren die Menschen, viele auch aus dem Kiez, sehr dankbar, dass wir die Kirche für sie öffneten“, resümiert Pfarrer Moritz Kulenkampff, der selbst teilnahm. Weitere Treffen seien geplant. Für den 9. November ist nicht nur in Berlin, sondern auch auf dem Joachimsplatz in Joachimsthal eine Gedenkveranstaltung geplant.