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„Kirche ist kein Kulturverein“

Die Gedanken von Leser Hanfried Zimmermann zum bewussten Verzicht auf Gottesdienste (Ausgabe 1,?Seite 6) hat viele Leserinnen und Leser bewegt

Die Hygienekonzepte in den Kirchen finde ich ebenso gut wie die in Kinos. Ich finde es bei beidem unnötig, sie zu schließen. Mich ärgert vor allem, wenn Maßnahmen nicht eingehalten werden. Kirchen und Kinos könnten meines Erachtens alles beibehalten, solange ihre Besucher sich an die Regeln halten. Ich arbeite in einer Kirchgemeinde und zum Gottesdienst kommen sehr wenige in ein großes Kirchgebäude. Jeder kann fernbleiben, dem das zu gefährlich scheint. Die sogenannten anderen Möglichkeiten, hauptsächlich das Internet, sind nur Menschen zugänglich, welche diese Technik haben und sie nutzen wollen und können.

Johannes Müller, Berlin

Ein schöner Artikel! So lieb und so klar, nicht sowohl als auch, wie unser verständnisvoller und weitherziger Bischof, sondern klare Aussage und klare Kante zu der Frage von Gottesdiensten in der Pandemie. Aus Herrn Zimmermanns Sicht war die Absage aller „Präsensgottesdienste“ die richtige, ja die einzig mögliche Entscheidung. Da hat nur noch das von der Politik rauf und runter buchstabierte Wort „alternativlos“ gefehlt.

Auch in unserem Sprengel Biesenthal hat der GKR alle Veranstaltungen als Zeichen der Solidarität abgesagt. Das fanden wir im Dorf Lanke unbefriedigend. So haben wir am Heiligen Abend vor der Kirche die Weihnachtsgeschichte gelesen und zwischendurch, in kleinster Besetzung, Choräle geblasen. Die Rückmeldungen waren positiv und dankbar. Unserem Bischof Christian Stäblein möchte ich auf diesem Wege ganz herzlich danken für sein Sowohl-als-auch.

Christoph Pagel, per E-Mail

Es gibt einen wesentlichen Unterschied zu beachten: Kirche ist kein Kulturverein oder ein gesellschaftlich agierender Verein, sondern „Gemeinschaft der Heiligen“, wie im Glaubensbekenntnis beschrieben und in Gottesdiensten gemeinsam bekannt. Das heißt: Kirche ist biblisch-theologisch gesehen eine besondere Gemeinschaft, die uns geschenkt wird, nicht von uns hergestellt, aber als Verheißung in Gottesdiensten geglaubt und ganz praktisch erfahrbar in persönlicher Gemeinschaft – was keinen Widerspruch ist zu den kreativen digitalen Versuchen, geistlichen Lebens zu erhalten.

Zimmermann bemüht das Argument der „Nächstenliebe“, die einen Verzicht gebiete. Aber: Ärzte warnen vermehrt vor Folgeerkrankungen aufgrund von Isolierung und Einsamkeit. Nein, es ist nicht geboten, auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. Vielleicht sogar im Gegenteil, Erfahrung von Gemeinschaft zu ermöglichen, die uns als Geschenk verheißen ist und als konkrete Hilfe angesichts der Pandemie-Nöte.

Götz Doyé, Potsdam

Ich bin der Meinung, dass jeder Christ, jede Christin eigenverantwortlich handelt. Das heißt: Ich entscheide, ob ich am Präsenzgottesdienst teilnehme. Die Gemeinde stellt den Rahmen – sofern sie personell und räumlich in der Lage ist, die strengen Hygieneauflagen zu erfüllen. Meine Gemeinde, die Auferstehungsgemeinde in Berlin-Friedrichshain, folgt diesem Weg und ich bin ehrlich froh, dass es kein Verbot „von oben“ gibt.

Jesus von Nazareth hat sich in der Not nie von den Menschen zurückgezogen. Warum sollte es die Kirche tun? Wenn wir aus Solidarität mit den Kulturschaffenden auf Gottesdienste verzichten, ist keinem geholfen.

Constanze Sucker, Berlin

Das Ausspielen von Kultur gegen Kirche ist falsch. Man sollte nicht aus falscher Solidarität oder voraus­eilendem Gehorsam Vor-Ort-Gottesdienste abschaffen oder schlecht reden. Alte Menschen, also ohne Internet oder am Telefon wegen Schwerhörigkeit nicht wendig, brauchen sie. Gemeinschaft, Augen­kontakt, Raumerlebnis und ein Spaziergang zum Gotteshaus sind notwendig für einen Sonntag. Wir sehnen uns danach. 

Natürlich hat Herr Zimmermann Recht, wenn er die erstarrte Form unserer Gottesdienste kritisiert und Ideen äußert. Ich habe auch ein paar Beispiele parat: gestreckte Gottesdienste über längere Zeit mit Kurz­andacht, mit moderner Bibelübersetzung und neuem Glaubensbekenntnis, Singen vor der Kirche, Orgelandacht mit den Gottesdienstliedern und einem Vorsänger, die Gemeinde spricht leise mit, denkt und betet mit.

Wolfgang Heger, Berlin