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Kirche anders leiten

In seinem Jahresbericht spricht sich Präses Manfred Rekowski für mehr Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort aus. Kritik an fehlender Wertegemeinschaft in Europa

BAD NEUENAHR – Ein verändertes Leitungshandeln in der Kirche hat der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, gefordert. „Einheitliche und ,DIN-Normen-gleiche’ Regelungen werden den unterschiedlichen Situationen unserer Kirche häufig kaum oder nur unzureichend gerecht“, sagte Rekowski in seinem Jahresbericht vor der Landessynode in Bad Neuenahr. Als Beispiele nannte der Präses die Verwaltungsstrukturreform, Personalplanung und Pfarrstellenplanung. Statt starrer Beschlüsse und gesetzlicher Regelungen müsse es seiner Meinung nach künftig ausreichen, „dass es eine Grundverständigung über die Ziele gibt, die zugleich Gestaltungsmöglichkeiten zulässt und schafft“, sagte Rekowski.
Die schmerzhaften Einschnitte, die in den vergangenen Jahren für eine Haushaltskonsolidierung nötig gewesen seien, hätten auch gezeigt, dass Veränderungen und Umgestaltung in der Kirche möglich seien, sagte der Präses. Bisher seien es finanzielle Faktoren gewesen, die Veränderungen erforderlich gemacht hätten. „Wir werden aber ganz sicher in den nächsten Jahren unsere Kirche aus inhaltlichen Gründen grundlegend verändern müssen“, betonte Rekowski.
Rekowski kritisierte eine jahrelange Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal von Flüchtlingen. Die „unhaltbaren und unmenschlichen Zustände“ an den EU-Außengrenzen und im Mittelmeer seien von Politik und Gesellschaft „mit einer fast entspannten Gelassenheit hingenommen“ worden, solange die Menge der Flüchtlinge in Italien und Griechenland geblieben sei, sagte Rekowski.
Bis heute gebe es keine wirksame Unterstützung der Nachbarländer von Krisenherden, die Millionen von Flüchtlingen aufgenommen hätten, beklagte der leitende Theologe der zweitgrößten Landeskirche. „Dies ist inhuman und fördert eine Perspektivlosigkeit, die weitere Fluchtbewegungen auslöst.“ Auch europäische Solidarität sei in Deutschland erst zum Thema geworden, „als die Flüchtlinge in großer Zahl unsere Landesgrenzen überschritten“.
Nun sei Deutschland als Wohlstandsland zu einem Ort der Hoffnung für viele geworden, sagte Rekowski: „Es geht nicht mehr um das Ob und es geht auch nicht mehr um das Wann, sondern es geht um das Wie und das Wo des Teilens von Sicherheit und Wohlstand.“ Dabei müsse sich erst noch zeigen, „ob Europa mehr ist als ein überdimensionierter Förderverein zur Rettung maroder Banken“. Derzeit sei für ihn nicht ersichtlich, dass eine Wertegemeinschaft die europäischen Staaten verbinde.
Deutsche Waffenexporte tragen nach Einschätzung Rekowskis zur Verschärfung von Fluchtursachen bei. „Für die aktuelle Fluchtbewegung gilt deshalb auch: Flucht trägt das Label ‚Made in Germany‘“, sagte der rheinische Präses. Scharfe Kritik äußerte Rekowski namentlich an den deutschen Wirtschaftsbeziehungen mit Saudi-Arabien und der Lieferung von Rüstungsgütern in den Golfstaat. Der Theologe verwies unter anderem auf „die Rechte von Frauen und Minderheiten in Saudi-Arabien und das unvorstellbare Maß an Menschenrechtsverletzungen und Hinrichtungen“. Angesichts dessen seien deutsche Waffenlieferungen nicht mit den Grundwerten der Bundesrepublik vereinbar.
Begonnen hatte die rheinische Landessynode mit einem Appell zur Offenheit gegenüber Flüchtlingen trotz der Übergriffe von Köln. Von Deutschland müssten weiter Hoffnungszeichen ausgehen „für Menschen auf der Suche nach einem Ort, an dem sie in Frieden leben können“, sagte die Düsseldorfer Pfarrerin Barbara Schwahn
im Eröffnungsgottesdienst in Bad Neuenahr. epd/leg