J.D. Vance verteidigt seine Polemik gegen Kinderlose und wirft den Demokraten eine familienfeindliche Politik vor. Viele betroffene Frauen dürften sich von Donald Trumps “Running Mate” vor den Kopf gestoßen fühlen.
Nicht den richtigen Partner gefunden, zu große Zukunftsängste oder einfach nur karriereorientiert? Was immer der Grund sein mag, fast die Hälfte aller US-Amerikanerinnen und -Amerikaner unter 50 Jahren hat und will keinen eigenen Nachwuchs mehr. Das geht aus einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Pew hervor. 47 Prozent machte ihr Anteil demnach im Jahr 2023 aus – zehn Prozentpunkte mehr als fünf Jahre zuvor.
Die Rate von im Durchschnitt 1,6 Kindern pro Frau liegt deutlich unterhalb der Quote von 2,1, die nötig wäre, um die Bevölkerungszahl aufrechtzuerhalten. Für den republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance ist das alles Ergebnis einer, wie er sagt, familienfeindlichen Politik, geprägt von Frauen, die nicht Mütter werden wollten, aber gesellschaftlich den Ton bestimmten.
Über die vergangenen Tage verteidigte er sein Narrativ, das er im Senatswahlkampf von Ohio 2021 verwendet hatte. Demnach unterminiere eine “kinderlose Linke” das Bevölkerungswachstum, indem sie “Familien ablehnt”. Protagonisten dabei seien “kinderlose Katzen-Frauen, die mit ihrem eigenen Leben unzufrieden sind und den Entscheidungen, die sie getroffen haben”.
Als Beispiele für nachwuchsfeindliche Linke nannte er in einem Interview mit dem ehemaligen Fox-Moderator Tucker Carlson seinerzeit die jetzige Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Kamala Harris, und Verkehrsminister Pete Buttigieg. “Wie kann das Sinn ergeben, unser Land Leuten zu überlassen, die nicht direkt in seine Zukunft investiert haben?” Tatsächlich ist Harris Stiefmutter von Cole und Emma Emhoff, die ihr Mann aus der ersten Ehe eingebracht hatte. Buttigieg adoptierte mit seinem Ehemann Chasten 2021 die Zwillinge Penelope Rose und Joseph August, die das Paar gemeinsam großzieht.
Auch sonst entspricht das Narrativ von Vance eher den Vorurteilen konservativer Kritiker als dem Forschungsstand. Er liegt etwa auf einer Linie mit Vertretern wie Rachel Bovard vom Conservative Partnership Institute, die im katholischen Magazin “First Things” schwindende Familienwerte für den Geburtenrückgang verantwortlich machte: Die Konservativen hätten den Kulturkampf vor Jahrzehnten verloren. Das Ergebnis seien linke Unternehmensführer, Entertainer und Politiker, die selbst keine Kinder hätten und haben wollten. “Die Erklärung von Vance ist nicht nur wahr, sondern prophetisch”, meint Bovard. “Wir sind demografisch verdammt, von Kinderlosen regiert zu werden.”
Die Pew-Umfrage unter mehr als 3.000 kinderlosen Erwachsenen zeichnet ein differenzierteres Bild des Geburtenrückgangs. Dieser spiegele keinen Egoismus, sondern ökonomische Realitäten wider. Dazu gehörten steigende Kinderbetreuungskosten, teurer Wohnraum und hohe Lebenshaltungskosten allegmein.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erweist sich als großes Hindernis für Frauen der Generation X. Sie kamen zwischen 1965 und 1980 zur Welt und rangen damit, Karriere und Kinder unter einen Hut zu bringen. Während sie sich noch mit der gesellschaftlichen Erwartung auseinandersetzen mussten, Nachwuchs zu bekommen, stehen jüngere Frauen der folgenden Generationen offen zu ihrer Entscheidung, kinderlos zu bleiben.
Immer wichtiger wird für Frauen die Frage, ob sie einem Kind “die bestmöglichen Bedingungen” bieten können, wie Sarah Hayford resümiert. Die Soziologin der Ohio State University bezieht sich gegenüber der “New York Times” auf Daten, die einerseits eine positive Einstellung junger Frauen zu Kindern zeigen. Andererseits fühlen sie sich durch externe Faktoren daran gehindert, selbst Mutter zu werden.
Ein weiterer Punkt ist die Erfahrung, die Frauen im eigenen Elternhaus gemacht haben. Angespannte Familienatmosphäre, Dauerstreit und Scheidung lösen Angst aus, dass sich diese Muster wiederholen könnten.