Eine Zeitreise für Kinder: Das Deutsche Historische Museum zeigt erstmals eine Ausstellung, die eigens für junge Besucher konzipiert ist. Ein Blick über die Schultern der Kuratorinnen vor der Eröffnung am Wochenende.
“Ich hab’ keinen Bock, ins Museum zu gehen” – Sätze wie diese sollten von der siebenjährigen Tochter in Zukunft nicht mehr kommen, wenn es um die familiäre Wochenendplanung geht. Geschichte ist trocken? Museen sind langweilig? Das Deutsche Historische Museum macht sich kindgerecht: Am Sonntag öffnet unter dem Titel “Rein ins Gemälde – Eine Zeitreise für Kinder” die erste eigene Schau für Kinder von sechs bis zwölf Jahren.
Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit den Kuratorinnen Petra Larass und Stephanie Neuner über das Besondere der Ausstellung, was Kinder ins Museum lockt und wie sie verstehen lernen, dass die Vergangenheit wichtig für ihre eigene Zukunft ist.
KNA: Frau Larass, Frau Neuner, wieso macht das Deutsche Historische Museum eine Ausstellung eigens für Kinder?
Neuner: Es ist eine Art Probebühne: Wir testen mit dieser Ausstellung ein paar Monate lang, was Kinder in Museen anspricht, wie man Geschichte lebensnah und interessant vermitteln kann. Die Erkenntnisse wollen wir dann in unsere künftige neue Ständige Ausstellung integrieren, die zur Zeit für das Zeughaus konzipiert wird.
KNA: Was ist das Besondere?
Neuner: Wir wollen über historische Objekte Geschichte erzählen. Die Ausstellung läuft also nicht chronologisch, sondern wir versuchen, die Kinder neugierig für Geschichte zu machen, indem wir sie in eine vergangene Zeit richtig eintauchen lassen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich Kinder sehr für die materielle Kultur, also historische Objekte begeistern können. Wie lange hielt sich so ein Krug aus Ton oder ein Teller aus Holz von vor 500 Jahren und wie werden diese Stücke im Museum behandelt?
KNA: Warum heißt die Schau “Rein ins Gemälde”?
Larass: Im Zentrum steht das erste Gemälde “Januar, Februar, März”, eines von vier Augsburger Monatsbildern aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, das das neue Lebensgefühl nach dem Mittelalter zeigt und für die Ausstellung frisch restauriert und neu gerahmt wurde. Man sieht etwa ein Turnier, Musiker mit ihren Instrumenten, Händler, im Hintergrund eine schöne Landschaft. Es ist die Grundlage für die Ausstellung – wie auf einem großformatigen Wimmelbild können Kinder Details entdecken, denen sie dann ganz konkret durch historische Objekte in der Ausstellung wiederbegegnen.
Neuner: Neben dem historischen Ausstellungsteil rund um das Augsburger Monatsbild gibt es einen Werkstattteil: Hier kann man sich etwa über die Arbeit von Restauratorinnen und Restauratoren in einem Museum informieren – und die Kinder können selbst kreativ werden: Es gibt eine große Wand, die die Landschaft des Gemäldes aufgreift. Die können die Kinder selbst ergänzen – so wie sie sich ihre Traumlandschaft vorstellen.
KNA: Es ist eine Ausstellung für Kinder – sind auch Kinder an der Konzeption beteiligt?
Larass: Natürlich, wir haben einen Kinderbeirat – die “Klugen Zauberdrachen”, mit dem wir schon seit drei Jahren zusammenarbeiten. Das sind 24 Kinder einer Berliner Grundschule in Lichtenberg, mit denen wir viel in unseren Depots und Werkstätten unterwegs waren und die wir gefragt haben, was sie interessiert und wie wir bestimmte Dinge umsetzen könnten. Von ihnen stammt zum Beispiel die Idee, eine Zeitreise zu machen: Jetzt können die Besucherinnen und Besucher am Anfang der Schau durch einen riesigen Bilderrahmen mit einem Zeitkorridor in die Vergangenheit steigen und so selbst in die unbekannte, abenteuerliche Welt eintauchen.
Erzählfiguren führen in ihre Welt per Hörstationen ein – das ist auch ein Versuch von uns, zu schauen, inwieweit wir noch mehr mit Audio anstelle von Texten arbeiten können.
KNA: Was ist der Unterschied zwischen Kindern als Museumsbesuchern und Erwachsenen?
Larass: Kinder sind einfach neugierig. Sie wollen ganz viele Kleinigkeiten wissen – und sie entdecken auch unfassbar viele Details, die unsereiner erst nach langem Hinschauen sieht.
KNA: Was wissen Kinder von heute noch von der Geschichte?
Neuner: Grundsätzliches Interesse ist auf jeden Fall da, das stellen wir immer wieder fest. Im Schulunterricht bekommen Kinder Geschichte oft chronologisch vermittelt. Wir fanden es wichtig, dass wir in einer Zeit bleiben, ein Thema vertiefen, eine Epoche in unterschiedlichen Facetten vermitteln.
Larass: Wir wollen die Kinder ermutigen, die Dinge, die man sieht zu hinterfragen. Sozusagen die Basis für die historische Urteilskraft schaffen. Da ist etwa ein Gemälde, dessen Darstellungen idealisiert sind. Dann hineinzugehen und um die Ecke zu schauen – was sehe ich und was sehe ich nicht? Der kritische Blick ist uns wichtig – obwohl sie sich bei uns in der Ausstellung auch einfach bewegen und spielen dürfen.
KNA: Wie lockt man Kinder aus bildungsfernen Familien in Museen?
Neuner: Es gibt Kinder, für die ist es wirklich ein weiter Weg ins Museum. Die versuchen wir vor allem über die Schule zu erreichen: Wir haben an allen Berliner Grundschulen mit Flyern für die Ausstellung Werbung gemacht und haben bereits jetzt – noch vor der Eröffnung mit einem eintrittsfreien Wochenende am 1. und 2. Juni – zahlreiche Voranmeldungen von Schulklassen.
Larass: Das Schönste ist, wenn Kinder, die mit der Schule hier waren, zu Hause erzählen und sagen, dass es ihnen gefallen hat und dann die Eltern auf die Idee kommen, vielleicht nochmal zusammen hinzugehen. Hierfür stellen wir niederschwellige Museumsfeste und kostengünstige Workshops bereit.
KNA: Warum sollten Kinder überhaupt ins Museum gehen?
Larass: Wenn die Kinder herkommen, dann wollen wir am liebsten, dass sie rausgehen und sagen: Das hat mir richtig Spaß gemacht. Geschichte ist interessant, und Geschichte hat mit mir zu tun. Auch ich werde irgendwann Teil der Geschichte sein. Die Kinder sagen selbst: “Wenn man etwas über die Vergangenheit weiß, dann kann das vielleicht helfen, in der Gegenwart und Zukunft Fehler zu vermeiden.” Das ist ein Zitat von Kindern aus unserem Beirat, das mich sehr berührt hat, denn genau darum geht es ja.
KNA: Welche Highlights bietet die Ausstellung zum Beispiel?
Neuner: Wir haben eine große Turnierrüstung und einen Pferdeharnisch. Man kann sich selbst im Lanzenspiel versuchen oder sich anschauen, wie man in damaliger Mode ausgesehen hätte…