Kaum drei Monate ist es her, dass in der Demokratischen Republik Kongo Dutzende Menschen bei der gewaltsamen Auflösung einer Anti-UN-Demo ums Leben kamen. Es war ein trauriger Höhepunkt der Proteste, in denen sich die seit Jahren angestaute Frustration über die Vereinten Nationen und deren Mission Bahn brach. Und die Region ist kein Einzelfall. „Wir sind an einem echten Wendepunkt angelangt, was die UN-Friedenseinsätze angeht“, sagt Richard Moncrieff von der Denkfabrik „International Crisis Group“.
Zwei der größten Friedensmissionen in der Geschichte der Vereinten Nationen, in der Demokratischen Republik Kongo und in Mali, stehen vor einem Abschluss. In der Demokratischen Republik Kongo wurde das Ende der Monusco-Mission mit ihren rund 14.000 Blauhelmsoldaten in dieser Woche formal besiegelt. Das Aus kommt nicht, weil die Truppen nicht mehr nötig sind. Sie seien nicht mehr willkommen, sagt Moncrieff.
Erst im September hatte der kongolesische Präsident Félix Tshisekedi vor der UN-Vollversammlung einen Abzug bis Ende dieses Jahres gefordert. Er kritisierte, dass die Mission es trotz ihrer rund zwei Jahrzehnte währenden Präsenz nicht geschafft habe, das Land zu befrieden. Seit 1999 sind die Blauhelme im Kongo – über die Jahre mit verschiedenen Zielsetzungen, seit 2010 unter dem Banner einer Stabilisierungsmission zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur Friedenskonsolidierung. Damit sollte die Regierung dabei unterstützt werden, ihre Autorität im Land durchzusetzen und Sicherheit herzustellen. Auch in Mali lautete das erklärte Ziel der Mission, die seit 2013 besteht, für Stabilität und den Schutz der Bevölkerung zu sorgen.
Doch sowohl im Kongo als auch in Mali herrsche Enttäuschung darüber, dass die UN-Friedenstruppen es nicht geschafft hätten, effektiv gegen bewaffnete Gruppen vorzugehen, sagt Denis Tull von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP) in Berlin. Zum einen seien die Konflikte komplexer geworden, zum anderen seien auch die Ansprüche an Peacekeeping-Missionen nach oben gegangen, genauso wie der Anteil an Bürokratie. Dadurch sei eine Diskrepanz entstanden zwischen Erwartungen und dem, was realistisch erreicht werden könne, erklärt der Analyst.
Der Bedarf an Friedensmissionen aber bleibe, sagt Crisis-Group-Experte Moncrieff. Nur in welchem Mantel diese ausgeführt werden könnten, müsse sich noch zeigen. „Wir werden komplexe und sehr unterschiedliche Versuche erleben, regionale Kräfte zusammenzustellen“, schätzt Moncrieff. „Der Vorteil an diesen regionalen Streitkräften ist, dass sie eine Art regionalen politischen Konsens repräsentieren.“
Allerdings sei dieser Konsens oft auch äußerst brüchig, räumt Moncrieff ein – vor allem, wenn bewaffnete Gruppen in den betreffenden Regionen politische Verbindungen hätten. „Aber diese regionalen Streitkräfte sind Teil des Puzzles, wenn wir darüber nachdenken, wie regionale Friedenssicherung aussehen könnte“, erklärt er.
Wie es weitergehe, sei schwer vorherzusehen. Jedoch sei eine Zunahme an Instabilität zu befürchten. „Vor Ort werden bewaffnete Gruppen den UN-Rückzug nutzen, um ihre Aktivitäten auszuweiten“, lautet die Einschätzung Moncrieffs. Gleichzeitig würden die UN aber versuchen, bei Friedensprozessen einen Sitz am Tisch zu behalten.
Auf UN-Ebene werde das wahrgenommene Scheitern von Missionen wie in Mali oder im Kongo dabei vermutlich dazu führen, dass die Mandate realitätsnaher und bescheidener werden müssten, sagt SWP-Experte Tull. Und dass sie „eben nicht eine Wunschliste für den Weihnachtsmann“ seien. „Das kann man gut oder schlecht finden“, sagt Tull, „aber ich glaube, für die Glaubwürdigkeit der UN wäre es eine gute Sache.“