UK 7/2019, Tempolimit (Leitartikel: „Die heilige Kuh der Deutschen“)
Viele evangelische Christen empfinden es als völlig unangebracht und theologisch unhaltbar, dass sich die Kirche als parteipolitischer Akteur verhält, der eine Petition zur Gesetzgebung an den Bundestag initiiert. Das ist nach der Meinung vieler die wertvolle Aufgabe von Parteien und politischen Gruppierungen, und so etwas kann man unterstützen, wenn man das für gut hält (was ich im Übrigen oft tue und oft auch zu Themen des Klimaschutzes, des Artenschutzes usw.. Aber das ist meiner Meinung nach und vieler anderer in unserer Gemeinde nicht Aufgabe der Kirche und wir werden das so auch nicht akzeptieren. Gut ist, wenn sich Kirche einsetzt für die Bewahrung der Schöpfung und die Christen hier zum konkreten Handeln animiert – das ist Aufgabe der Kirche. Das ist allgemeiner Konsens. Aber sie soll sich nicht parteipolitisches Gebaren anmaßen.
Im Übrigen halte ich politisch gesehen die Petition der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland deshalb für nicht sehr hilfreich und werde sie nicht unterschreiben, weil ich sie für viel zu unwirksam halte. Die erwartbaren CO²-Einsparungen liegen im Promillebereich. Die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland auf allen Autobahnen pro Jahr liegt bei 408 von insgesamt 3180 (Zahlen von 2017) – aber die sind ja bei Weitem nicht alle tempobedingt.
Es braucht also sowohl für den Klimaschutz wie auch für die Sicherheit auf den Straßen, die eminent wichtig sind, ein viel größeres Maßnahmepaket und richtig tiefgreifende Veränderungen und nicht so eine groß propagierte Gesetzesinitiative, die allenfalls kosmetische Verbesserungen hervorruft und die Politiker, wenn sie dem denn zustimmen sollten, in bequemer Sicherheit wiegen dürfte.
Es gibt solche Ideen, wie man die Straßen viel sicherer machen könnte, vor allem die besonders gefährlichen Bundesstraßen, und wie man verheerende LKW-Unfälle reduzieren kann. Die vorliegende Petition ist für mich keine nachhaltige und glaubwürdige Initiative, da bin ich nicht dabei. Da erinnere ich mich an Greta Thunberg, die drastische Veränderungen im Klimaschutz anmahnt und zwar bei den größten Verursachern. Aber all das, davon bin ich zutiefst überzeugt, ist ein Thema für Verkehrsexperten und Klimaexperten und nicht für Theologen oder Kirchenämter.
Kirche ist für uns immer noch der Leib Christi, die Gemeinschaft der geheiligten Sünder, die wir alle fehlerhaft sind und uns um eifrige Nachfolge bemühen und nicht eine politische Laientruppe, die sich in übermotiviertem Aktionismus verliert. Ich erkenne ihren guten Willen an, aber die Aktion ist trotzdem zu uneffektiv. Ich respektiere auch Ihr Eintreten für ein starres Tempolimit, wenn Sie das für sinnvoll halten. Aber ich bitte Sie, abweichende Meinungen ebenfalls zu respektieren und nicht eine politische Instrumentalisierung der Kirche zu befördern.
Ulrich Krause, Greiz (Thüringen)