Gedanken zum Predigttext am Reformationsfest: Römer 3,21–2821 Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. 22 Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: 23 Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, 24 und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. 25 Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher 26 begangen wurden in der Zeit seiner Geduld, um nun in dieser Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, dass er selbst gerecht ist und gerecht macht den, der da ist aus dem Glauben an Jesus. (Auszug)
(Auszug)
Von Marion Gardei
Gott erbarmt sich allein aus Gnade über alle Menschen. Das ist die reformatorische Entdeckung Martin Luthers und existenzielle Grundlage paulinischen Glaubens. Paulus schreibt: „Denn es ist hier kein Unterschied, sie sind allesamt Sünder.“ Ein finsteres Menschenbild zeichnet er da, das die Gefahr des Missbrauchs in sich trägt. Wenn alle irgendwie schuldig sind, kann man kaum noch echte Täter und konkrete Schuld benennen.
Wie gefährlich so eine Gleichmacherei ist, zeigt sich besonders bei der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen. Es gibt sehr wohl Unterschiede, etwa zwischen Massenmördern und Widerstandskämpfern. Das Beispiel Einzelner zeigt uns: Es war möglich, sich gerecht zu verhalten, wenn es auch gefährlich war.Die Gleichheit vor Gott, die Paulus hier in der schuldhaften Existenz beschreibt, zielt auf etwas anderes als auf Vernebelung der Unterschiede zwischen Täter und Opfer: Es gibt keine Hierarchien vor Gott, keinen Verdienst durch Herkunft, Besitz, Bildung oder Religion, der uns davor schützen könnte, schuldig zu werden. Jede und jeder trägt das Potenzial zum Bösen in sich.
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