Mit dem Aktionstag „Back to Church“ am 24. September will die bayerische evangelische Landeskirche die Menschen zurück in die Kirche holen. Michael Wolf, Referent für Kirchen- und Gemeindeentwicklung im Landeskirchenamt, und der Leiter des Nürnberger Gottesdienstinstituts, Stefan Gehrig, erklären im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), was es damit auf sich hat.
epd: Herr Wolf, Sie sagen „Back to Church“ soll zwar eine „Charme-Offensive für unsere Gottesdienste“ sein, es sollen aber ausdrücklich am 24. September keine Aktionen stattfinden, um einen Gottesdienst möglichst voll zu kriegen oder außergewöhnlich zu gestalten. Woher kommt der Charme idealerweise dann?
Wolf: Natürlich ist es schön, wenn viele Menschen in der Kirche sind – durch das persönliche Einladen, durch Öffentlichkeitsarbeit und durch liebevoll gestaltete Gottesdienste. Aber bei der Aktion geht es nicht darum, an dem Sonntag ein Spektakel zu veranstalten. Denn wenn die Menschen die Woche danach wieder in den Gottesdienst kommen, weil es ihnen gefallen hat, und dann ist alles völlig anders, wäre das nicht im Sinne der Aktion. Der Charme kommt von den Menschen, die an diesem Sonntag besonders auf Willkommenskultur achten, Gastfreundschaft leben, authentisch zum Gottesdienst einladen und den Gottesdienst ganz bewusst aus der Perspektive der Menschen vorbereiten, die nicht regelmäßig im Gottesdienst sind.
Gehrig: Es geht nicht darum, besondere Events zu starten, sondern Menschen erzählen anderen von dem, was ihnen guttut und was sie als positiv erleben.
epd: Trotzdem soll der 24. September zum Anlass genommen werden, die Gestaltung eines Gottesdiensts an sich zu überdenken und eine neue Willkommenskultur zu erfinden. Gibt es da Impulse seitens des Gottesdienstinstituts?
Wolf: Die Aktion wird begleitet durch das Landeskirchenamt, das Amt für Gemeindedienst und das Gottesdienstinstitut. Auf der Website des Amts für Gemeindedienst finden sich neben Vorlagen für die Öffentlichkeitsarbeit auch Checklisten für die Vorbereitung von Gottesdiensten und Infos rund um das Thema Gastfreundschaft.
Gehrig: Im Vorfeld wurden Vorbereitungstreffen für die Gemeinden vor Ort angeboten, an denen das Gottesdienstinstitut beteiligt war und besonders auch Erfahrungen aus der Gottesdienstberatung eingebracht hat. Für das nächste Jahr wird sich das Gottesdienstinstitut noch deutlich intensiver in diese Vorbereitung einbringen. Ein wichtiger Schwerpunkt wird dabei sein, die Vielfalt der bereits bestehenden Gottesdienstformen bewusst zu machen. „Back to Church“ zielt ja nicht in erster Linie darauf, den 10-Uhr-Gottesdienst zu füllen, sondern zu einem oftmals bereits bestehenden, vielfältigen Gottesdienstprogramm einzuladen. Neben organisatorischen Impulsen wird es deshalb darum gehen, dass Gemeinden wertschätzende Vielfalt unterschiedlicher Formen leben und erleben – und dazu einladen. Das muss aber wahrgenommen und eingeübt werden.
epd: Warum gerade dieser Termin?
Wolf: Die Aktion kommt ursprünglich aus der anglikanischen Kirche. Dort wurde das in der „Back to School“-Zeit gemacht – also im September nach den Sommerferien, wenn die Schule und die Arbeit wieder beginnen. Deswegen liegt der Back-to-Church-Sonntag traditionell im September. Aus regionalen Gründen kann es auch Anlass geben, die Aktion einen Sonntag vor oder nach dem offiziellen Termin zu machen. Andere Regionen wollen die Aktion mehrmals im Jahr durchführen – um die persönliche Einladung und Gastfreundschaft regelmäßig einzuüben.
Gehrig: Der genaue Termin ist nicht das Entscheidende. Aber die Chance besteht natürlich darin, dass wir in ganz Bayern einen gemeinsamen Termin haben. Dadurch spricht sich das besser herum.
epd: Die Idee ist: Gottesdienstbesucher laden andere Menschen dazu ein, mitzugehen, oder bringen diese gleich mit. Wie erreichen die Gemeinden diese potenziellen „Werber“, was gibt man ihnen an die Hand?
Wolf: Eine gute Erfahrung war, dass es Einladungskarten gibt, auf denen die Gottesdienste der Region stehen. Dann haben die Menschen, die andere aus der Nachbarschaft, der Arbeit oder dem Freundeskreis einladen, etwas in der Hand.
epd: Auch nach dem Ende der Corona-Maßnahmen kommen nicht wieder so viele Menschen wie früher in die Gottesdienste, es sind sogar weniger geworden. Wurde während der Pandemie eine Chance vertan, wieder mehr an die Kirche zu binden?
Wolf: Der deutsche Titel des „Back to Church“-Sonntags heißt „Gottesdienst erleben“. Die positiven Erfahrungen in den Regionen mit dieser Aktion wurden durch Corona jäh unterbrochen, denn teilweise waren gar keine Gottesdienste erlaubt und danach nur mit strengen Auflagen, mit Besucherobergrenzen, mit der Notwendigkeit einer Anmeldung. Das war das Gegenteil von Willkommenskultur und Einladung zum Gottesdienst.
Gehrig: Gleichzeitig sind in der Coronazeit viele neue Initiativen und Formen entstanden, zu denen sich Menschen haben einladen lassen. Ich denke beispielsweise an kleine Gemeinden, die in Außenorten „Kirche vor Ort“ gefeiert haben und plötzlich Menschen mitgefeiert haben, die sonst nicht in die Kirche gehen. Oder besondere Formen: Gottesdienst an Heiligabend bei einer großen Krippe auf dem Spielplatz oder bei Lagerfeuer in der Wohnsiedlung. Es sind vielleicht weniger Menschen in der klassischen Christvesper, dafür aber andere in offenen Formen, die gerne mitfeiern. Hier kann eine Bindung, vielleicht auch eine neue, gelingen.
epd: Wie zufrieden sind Sie denn bisher mit den Rückmeldungen aus den Gemeinden?
Wolf: Bayern ist die erste Landeskirche in Deutschland, die die Aktion großflächig anbietet. Das finde ich schon mal ziemlich stark. In diesem Jahr war an Sonderaktionen schon ziemlich viel – mit dem Kirchentag in Nürnberg und der deutschlandweiten Taufinitiative mit sehr vielen Tauffesten. Auch in Bayern wird der 24. September sicher an vielen Orten „auf kleiner Flamme“ durchgeführt. Umso wichtiger ist es, dass wir mit dem 22. September 2024 einen festen Termin für das nächste Jahr haben, mit mehr Vorlauf.
epd: Die Aktion soll künftig jedes Jahr laufen. Müsste sie nicht auch außerhalb eines Turnus zum Handwerkszeug beflissener Gottesdienstbesucher werden?
Wolf: Das ist absolut richtig, das sollte eigentlich bei jedem Gottesdienst selbstverständlich sein. Wir merken aber, dass da bei uns an vielen Stellen noch Luft nach oben ist. Übung macht den Meister, deswegen braucht es regelmäßige „Back to Church“-Sonntage. Die Entwicklung einer Bereitschaft zum persönlichen Einladen und einer Haltung der Gastfreundschaft müssen eingeübt werden und brauchen Zeit.
Gehrig: Darüber hinaus hat die Aktion auch einen internen Effekt: Neben dem eigentlichen Einladen wird man sich die Frage stellen, wie ein Gottesdienst aussieht, zu dem ich gerne und guten Gewissens einladen kann. Wenn man über diese Frage ins Gespräch kommt, wird sich auch die Gottesdienstkultur in den Gemeinden verändern. (00/3006/17.09.2023)