Hallig Hooge. „Ich gebe die Hoffnung nicht auf“, sagt Gertrude von Holdt-Schermuly, wenn sie über die Situation im Pastorat auf Hallig Hooge spricht. Die Laienpredigerin vertritt seit eineinhalb Jahren den Pastor auf der Kirchwarft im Wattenmeer. Ihr Arbeitsvertrag mit dem Kirchenkreis Nordfriesland läuft Ende Mai aus – dann würde sie sich am liebsten zur Ruhe setzen. Doch ein Nachfolger ist derzeit noch nicht in Sicht.
„Die Stelle wurde zweimal ausgeschrieben; es war wohl nicht interessant für mögliche Kandidaten“, sagt von Holdt-Schermuly. Und sie setzt hinzu: „Man muss es auch wirklich mögen, diese Abgeschiedenheit hier auf der Hallig.“
Für Theologen scheint das Pastorenamt auf Hooge wenig attraktiv. Im Februar 2016 hatte der Kirchenkreisrat die Pfarrstelle auf 50 Prozent reduziert. Seitdem gab es keine einzige Bewerbung eines Seelsorgers – obwohl der Kirchenkreis bundesweit um einen Kandidaten wirbt. „Die 77 Kirchengemeindemitglieder auf der Hallig reichten für eine volle Stelle nicht aus“, erläutert Propst Kay-Ulrich Bronk: „Die Halligbewohner wünschen sich natürlich möglichst bald eine Lösung. Aber sie sind zurzeit sehr zufrieden mit der Arbeit der Prädikantin Gertrude von Holdt-Schermuly.“
Die Prädikantin bezieht das Gehalt für die halbe Pfarrstelle. „Es wäre nicht einfach, damit eine komplette Familie zu versorgen. Und es würde schwer für den Lebenspartner des Pastors werden, hier einen Job zu finden“, sagt von Holdt-Schermuly. Wer auf dem Festland arbeiten wolle, sei auf die Fähren angewiesen.
Sehr zufrieden mit der Prädikantin
Seit siebeneinhalb Jahren lebt die Laienpredigerin auf Hooge. Als der frühere Pastor Martin Witte im Oktober 2015 ging, sprang die heute 69-Jährige zunächst als Aushilfe ein. Sie hatte sich zuvor über drei Jahre hinweg zur Prädikantin ausbilden lassen – nun hält sie den sonntäglichen Gottesdienst in der St.-Johannis-Kirche, traut Hochzeitspaare und spricht bei einem Begräbnis die Trauerrede. „Ich brauche die Möglichkeit zu predigen – auf diese Weise schaffe ich mir selbst eine Basis zum Leben“, sagt von Holdt-Schermuly.
Für sie sei die unendliche Weite des Himmels über der Nordsee und dem Wattenmeer ein täglich neues Geschenk. „Es ist wie ein Kloster unter freiem Himmel“, schwärmt sie, „etwas Besseres kann man sich gar nicht vorstellen.“ Die Bewohner sprechen die Laienpredigerin schlicht mit „Tutje“ an – ihrem Spitznamen aus ihrer Kindheit auf Pellworm.
Einen Großteil ihrer Zeit verbringt sie mit seelsorgerlichen Gesprächen mit den Halligbewohnern, beim Kaufmann, in deren Häusern, auf der Straße, am Deich. Außerdem gibt sie den Kindern auf der Hallig Religionsunterricht – und kümmert sich im Sommer um die Touristen, die das kleine Eiland im Wattenmeer besuchen und natürlich auch die Kirche entdecken wollen. Rund 80 000 Gäste kommen in der Hauptsaison. Dann erzählt „Tutje“ nicht nur vom Muschelbelag auf dem Boden, sondern vor allem von der von bedrohlichen Sturmfluten und ständigem Wiederaufbau geprägten Geschichte des Gotteshauses auf der Kirchwarft.