Struwen, Biersuppe, grüne Kräuter – viele Speisen gibt es nur in der Karwoche. Diese kulinarischen Bräuche haben oft jahrhundertealte Traditionen. Wie Gläubige einst den Herrgott “beschummelten”.
Die Karwoche bedeutet traditionell Fasten und Verzicht – oder doch nicht? Viele Menschen in Deutschland freuen sich gerade an diesen Tagen kurz vor Ostern auf ganz spezielle Gerichte, die sie mit diesen Tagen verbinden. “Diese besonderen Speisen – wie im Münsterland beispielsweise Struwen oder Biersuppe – gibt es nur in der Fastenzeit, meist auch nur an bestimmten Terminen”, berichtet Brauchtumsforscherin Christiane Cantauw der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Der Effekt sei ähnlich wie beim Spargel, den es ja auch nur wenige Monate im Jahr gebe. Die Vorfreude sei dann meist groß, so die Wissenschaftlerin der “Kommission Alltagskulturforschung für Westfalen”: “Diese Speisen bleiben etwas Besonderes, weil sie nicht Eingang finden in den alltäglichen Speiseplan.” Deshalb konzentriere man sich auch mehr auf die Zubereitung, tausche Rezepte aus und unterhalte sich darüber, wie die eigene Oma das immer gemacht habe. Oft gebe es auch Verabredungen zum gemeinsamen Essen dieser besonderen Speisen.
Was genau in der Karwoche auf den Tisch kommt, ist regional ganz unterschiedlich. Doch immer wieder findet sich Gemüse – besonders oft grünes. “Die Menschen haben die Bezeichnung ‘Gründonnerstag’ einfach wörtlich genommen”, so Cantauw. Die eigentliche Wortherkunft von “greinen”, also “weinen” sei in Vergessenheit geraten. Stattdessen habe man den Wortbestandteil “grün” nun aufs Essen bezogen: “Das kam überdies einem natürlichen Bedürfnis entgegen: Nach der winterlichen Kälteperiode und Wachstumsruhe stecken zu Ostern viele Kräuter wieder die Köpfe aus der Erde. Sie bereichern den Speiseplan durch lange vermisste Geschmäcker.”
Neben Kräutern – etwa in der Frankfurter Grünen Soße – und grünem Gemüse sind vielerorts Fisch, Eier und Kartoffeln in verschiedenen Variationen Tradition, ob als Pellkartoffeln, Kümmelkartoffeln oder Reibekuchen. Doch hier und da gibt es auch süße Mehlspeisen. “Es geht vor allem um die Vermeidung von Fleisch und tierischem Fett”, erklärt die Wissenschaftlerin die unterschiedlichen Bräuche.
Da seien die Menschen immer schon sehr kreativ gewesen: “Hier im Münsterland sind süßliche Geschmäcker wie bei Pumpernickel durchaus bekannt und üblich, so dass der Struwen an Bekanntes ‘andocken’ konnte.” Struwen sind kleine in der Pfanne gebratene Hefekuchen mit Rosinen, die traditionell am Karfreitag auf den Tisch kommen. Bei der Nahrung ist laut Cantauw wichtig: Die Speisen sollten abwechslungsreich sein, aber nicht zu fremd.
Das Wort “Herrgottsbescheißerle” für schwäbische Maultaschen bringt es auf den Punkt: Christen waren beim Fasten schon immer ganz schön kreativ. Die Idee dahinter: Im Teigmantel versteckt fällt das Fleisch dem Herrgott nicht auf. Auch Biber kamen da schon mal auf den Tisch – mit der Begründung, was im Wasser lebe, müsse ja ein Fisch sein und verstoße daher nicht gegen das Abstinenzgebot in Sachen Fleisch.
Und auch der Verzicht auf Süßes wurde so gerne mal umgangen, wenn etwa sättigende Trinkschokolade in der Fastenzeit serviert wurde. “Auch galt der Verzehr von Bier historisch nicht als Verstoß gegen die Fastengesetze. Das ist für viele Menschen heute irritierend”, ergänzt die Wissenschaftlerin.