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Karl May und der christliche Glaube

„Und ist es wirklich wahr, Sihdi, dass du ein Giaur bleiben willst, ein Ungläubiger, der verächtlicher ist als ein Hund und widerlicher als eine Ratte, die nur Verfaultes frisst?“ Seinen Orient-Roman „Durch die Wüste“ lässt Karl May mit einem langen Gespräch zwischen dem Christen Kara Ben Nemsi und seinem wackeren Diener Hadschi Halef Omar über Christentum und Islam beginnen. Gespräche über Religion gibt es ebenso zwischen „Old Shatterhand“ und Winnetou, der sich am Ende zum christlichen Glauben bekennt.
Der Disput zu Beginn des großen Orientromans, die Sterbeszene Winnetous oder die Old Wabbles (in „Old Shurehand“) zeigten, dass gerade die geistliche Dimension der Reiseerzählung „wesentlich zu ihrer Wirkungskraft beiträgt“, schreibt der Paderborner Literaturwissenschaftler Dieter Sudhoff in dem Essay-Band „Zwischen Himmel und Hölle – Karl May und die Religion“. Der Braunschweiger Theologieprofessor Jürgen Wehnert sieht in Mays Werken „eine universalistische Tendenz eingeschrieben, die vor allem in seiner tiefen Religiosität gründet“. „Old Shatterhand“ verkörpere „wie kein anderer die christlichen Werte von Humanität und Nächstenliebe“.
Karl May, im sächsischen Erzgebirge geboren, wurde evangelisch getauft, zweimal evangelisch getraut und lutherisch bestattet. Bei seiner Ausbildung zum Volksschullehrer stand auch das Fach Religion auf dem Lehrplan. Für seine Katechese über den Vers Johannes 4,24 „Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“, erhielt er dort die Note „2a“.
Weil er als Lichtwochner im evangelischen Waldenburger Seminar einige Kerzen abzweigte – vermutlich zur Weihnachtszeit für seine Familie –, wurde er vom Seminar verwiesen. Dass er seine Ausbildung zunächst in Plauen fortsetzen konnte, verdankte May auch der Fürsprache des Pfarrers aus seinem Heimatort Ernstthal. Von seiner späteren Haftzeit berichtete May, dass ihn ein katholischer Anstaltskatechet als Organisten für die katholischen Gottesdienste gewonnen habe.
Lange Zeit galt der Protestant May sogar als Katholik, weil er seine Abenteuergeschichten für die Leser der katholischen Zeitschriften, in denen May zunächst veröffentlichte, katholisch einfärbt.
Mays Werben für ein universelles Christentum war manchem seiner Zeitgenossen ein Dorn im Auge.
(Zitate aus: Christoph F. Lorenz (Hrsg.): Zwischen Himmel und Hölle – Karl May und die Religion. Karl May Verlag, 544 Seiten, 19,90 Euro)