Artikel teilen:

Kardinal Sarah aus Guinea wird 80

Beim Konklave, das den US-Amerikaner Robert Prevost zum Papst wählte, waren konservative afrikanische Kardinäle eine wichtige Gruppe. Einer der prominentesten von ihnen wird nun 80: Kardinal Robert Sarah aus Guinea.

An Robert Sarah scheiden sich die Geister. Für die einen ist er ein Held des Widerstands: Gegen zwei tyrannische Diktatoren in seiner westafrikanischen Heimat, gegen die Anbiederung der katholischen Kirche an den Zeitgeist und gegen den mitunter wenig kollegial regierenden Papst Franziskus.

Dass der für einen Öffnungskurs der Kirche eintretende Papst aus Argentinien den konservativen Rebellen aus Guinea durchaus ernstnahm, hat unlängst der deutsche Kardinal Walter Kasper scheinbar beiläufig erzählt. Laut Kasper war es Sarah, der es zusammen mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI. schaffte, Papst Franziskus von dem Vorhaben abzubringen, die verpflichtende Ehelosigkeit für Priester in der römisch-katholischen Kirche zu lockern.

Sie taten dies im Jahr 2020 über eine Buchveröffentlichung mit dem Titel “Des profondeurs de nos cœurs” (Aus der Tiefe des Herzens). Das Buch vermittelte den Eindruck, dass ebenso wie der konservative Westafrikaner auch der emeritierte Papst aus Bayern den Priesterzölibat vehement verteidigten. Weil er diesen Konflikt nicht riskieren wollte, machte sich Papst Franziskus die Liberalisierungsvorschläge nicht zu eigen, die zuvor auf der von Lateinamerikanern dominierten Amazonas-Synode beschlossen worden waren.

Widerstand gegen Obrigkeiten im Gestus der Verteidigung der Wahrheit durchzieht die Biografie des Mannes aus dem Dorf Ourouss im westafrikanischen Busch wie ein Roter Faden. Seine katholische Prägung erhielt der aus einer animistischen Familie stammende Robert durch Missionare des Spiritaner-Ordens. Als er mit 34 Jahren zum jüngsten Bischof Afrikas ernannt wird, regiert ein marxistischer Diktator namens Ahmed Sekou Touré (1922-1984) bereits seit 16 Jahren das von Frankreich unabhängig geworden Land Guinea. Rund 50.000 getöteten Oppositionelle gehen auf sein Konto, doch das hält den jungen Erzbischof der Hauptstadt Conakry nicht davon ab, Misswirtschaft und Diktatur öffentlich zu kritisieren.

Ähnlich verhält er sich unter dem gleichfalls diktatorischen Nachfolger, Lansana Conté (Regierungszeit: 1984-2008). Als der General anlässlich von Sarahs Beförderung zum Kardinal ein Festessen gibt, nutzt der seine Festrede zu einer Abrechnung mit den politischen Verhältnissen unter seinem Gastgeber.

Der polnische Papst Johannes Paul II. sah in Sarah einen Bruder im Geiste; er machte ihn zum Kardinal und berief ihn 2001 zum zweiten Mann in der mächtigen Missions-Kongregation, der sogenannten Propaganda Fide. Benedikt XVI. berief ihn dann 2010 zum Chef des weltweiten päpstlichen Hilfswerks Cor Unum. Beim Konklave von 2013 galt er als aussichtsreicher afrikanischer Kandidat. Doch hatte sich Sarah durch polemische Äußerungen gegen westliche Sexual-Libertinage einerseits und gegen islamischen Fundamentalismus andererseits ein zu kämpferisches Image für den Posten des obersten Brückenbauers erworben.

Unter Papst Franziskus sank sein Stern im Vatikan. Franziskus versetzte Sarah 2014 gegen dessen Willen an die Spitze der – scheinbar unbedeutenden – Vatikan-Behörde, die für Fragen der Liturgie und der Sakramentenordnung zuständig ist. Offenbar hatte der damals noch unerfahrene Papst aus dem Jesuitenorden unterschätzt, wie virulent auch Fragen der Liturgie im Streit um die Ausrichtung der Kirche sein können.

Sarah nutzte auch seine neue Aufgabe, um sich als Widerständler in Position zu bringen – diesmal gegen eine aus seiner Sicht allzu oberflächliche Art der Messfeier. Er setze sich – als Zeichen des Respekts vor dem Göttlichen – für die Mundkommunion ein und schlug vor, dass die Priester wieder wie früher zum Altar hingewandt die Messe feiern sollten. Jetzt erst schritt der Papst ein und ließ den Vorschlag seines Liturgiechefs öffentlich kassieren.

In den Wirren der Corona-Jahre wurden von Sarah Äußerungen kolportiert, die nach Verschwörungserzählungen klangen. Und so war es kein Wunder, dass Franziskus Sarahs altersbedingtes Rücktrittsgesuch 2021 annahm – wenige Monate nach dem Eklat um das Anti-Zölibats-Buch.

Unter Konservativen und Traditionalisten – aber nicht nur unter ihnen – ist Sarah weiterhin ein respektierter geistlicher Führer und geschätzter Prediger. Vor allem in Frankreich ist er wiederholt bei Wallfahrten und Kongressen aufgetreten. Überraschend hat ihn nun auch Papst Leo XIV. zu seinem Sonder-Delegaten für eine bedeutende Wallfahrt in der Bretagne ernannt. Nach dem Willen des Papstes soll er am 25. und 26. Juli am Heiligtum von Sainte-Anne-d’Auray die Feiern zum 400. Jahrestag der dortigen Erscheinung der Heiligen Anna leiten. Sechs Wochen zuvor, am 15. Juni, wird der guineische Rebell 80 Jahre alt.