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Jurist: Schwangerschaftsabbruch-Kompromiss enthält Widersprüche

Die bisherige Regelung zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland ist nach Ansicht des Ethikratsvorsitzenden Helmut Frister widersprüchlich. „Wenn wir den Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen tatsächlich als Unrecht bewerten wollten, dürften wir dieses Unrecht auch nicht dadurch fördern, dass die Sozialhilfe ihn bezahlt“, sagte der Rechtswissenschaftler der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf der dort erscheinenden „Rheinischen Post“ (Mittwoch). Andererseits sorge dieser Kompromiss aus den 1990er Jahren für einen Ausgleich zwischen denjenigen, die Frauen die freie Wahl geben wollten, und Abtreibungsgegnern.

In Deutschland werden Abtreibungen in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft nicht bestraft, wenn das vorgeschriebene Verfahren mit einer Beratung eingehalten wird. Sie sind aber rechtswidrig und werden daher auch von den Krankenkassen nicht erstattet. „Aus pragmatischen Gründen ist der Kompromiss nicht so schlecht“, sagte Frister. „Mich beunruhigt vielmehr, dass in vielen deutschen Gegenden die Frauen gar keine Möglichkeit mehr haben, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden.“ Darauf müsse ein größeres Augenmerk gelegt werden.

Zuletzt hatten Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken einen Antrag zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in den Bundestag eingebracht. Sie wollen erreichen, dass Abtreibungen bis zur zwölften Woche nach der Empfängnis nicht mehr strafbar sind. Schwangerschaftsabbrüche sollen demnach nicht mehr im Strafrechtsparagrafen 218, sondern im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden.

Die Gruppe will aber an der Beratungspflicht festhalten. Die Kosten von Abtreibungen sollen nach dem Willen der Gruppe künftig von den Krankenkassen übernommen werden. „Der Abbruch wird auch weiterhin strafrechtlich relevant sein, unter Umständen allerdings nicht mehr in den ersten zwölf Wochen“, sagte der Ethikratsvorsitzende mit Blick auf eine mögliche Umsetzung.

Der Ethikrat berät Bundestag und Bundesregierung bei gesellschaftlichen, vor allem medizin- und bioethischen Fragen. Er erstellt Stellungnahmen zu komplexen oder umstrittenen Themen, etwa zu Sterbehilfe, Organspende, Präimplantationsdiagnostik oder zum Umgang mit dem Klimawandel. Die Mitglieder werden je zur Hälfte von Parlament und Regierung ernannt und können einmalig wieder berufen werden.