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Journalistin Gudrun Sailer: Als Frau im Vatikan

Die deutsche Journalistin Gudrun Sailer arbeitet im Vatikan. Über ihre Begegnungen mit anderen Frauen schreibt sie Bücher. Ein Beitrag aus katholischer Perspektive zum Weltfrauentag am 8. März.

Gudrun Sailer war mit ihrer Schulklasse zum ersten Mal in der Ewigen Stadt.
Gudrun Sailer war mit ihrer Schulklasse zum ersten Mal in der Ewigen Stadt.Rocco Thiede

Die Journalistin und Autorin Gudrun Sailer war einst Radiojournalistin in Berlin. Seit über zwei Jahrzehnten arbeitet sie im Vatikan. Zusammen mit anderen gründete sie dort den „Verein der Frauen im Vatikan“. Von Jahr zu Jahr wächst der Anteil der Frauen, die für den Heiligen Stuhl arbeiten – auch weil Papst Franziskus Frauen in Führungs­positionen gezielt fördert.

„Ich habe vor über zwei Jahrzehnten beim privaten Hörfunk in Berlin gearbeitet. Aber vom grauen und nieseligen Berliner Winter wollte ich weg“, erzählt Gudrun Sailer, gleich zur Begrüßung im Empfangsbereich von „Vatican News“ in Rom.

Mit 13 Jahren war sie mit ihrer Schulklasse das erste Mal in der Ewigen Stadt. Sie ging als Jugend­liche im österreichischen St. Pölten auf eine Klosterschule. „Wir machten damals eine Wallfahrt, um für die Seligsprechung der Ordensgründerin Maria Ward zu beten.“ Die Adelige Mary Ward, geboren am 23. Januar 1585 in Yorkshire und gestorben am 30. Januar 1645 in York, wollte zu ihrer Zeit die Bildungschancen für Mädchen verbessern. In Anlehnung an die Jesuiten verfolgte sie dieses Ziel mit Glaubensstärke und Willenskraft. Heute sind auch im deutschsprachigen Raum viele Schulen nach ihr benannt.

Auf Umwegen nach Rom

Schon als junges Mädchen war ­Gudrun Sailer von der Hauptstadt Italiens sehr beeindruckt: „Was für eine atemberaubende Metropole – so vielschichtig und so schön!“ Nach dem Studium, unter anderem der Literaturwissenschaft und ­Philosophie, volontierte sie bei der Nachrichtenagentur Austria Presse Agentur (APA) und ging dann zum Österreichischen Rundfunk Ö1.

Eine Übersicht der Kommunikationsmedien des Vatikans im Dikas­terium
Eine Übersicht der Kommunikationsmedien des Vatikans im Dikas­teriumRocco Thiede

Doch seit über 21 Jahren arbeitet die Journalistin und Autorin Gudrun Sailer im Vatikan. Der Weg zu Radio Vatikan verlief für die Österreicherin nicht geradlinig, sondern auf Umwegen über Deutschland. Sie las eine Stellenausschreibung und bewarb sich erfolgreich. Daraufhin kam der damalige Leiter der deutschsprachen Abteilung von Radio Vatikan, der Jesuit Pater Eberhard von Gemmingen, nach Berlin und führte mit ihr ein Bewerbungsgespräch „mit so einem Kreuzeltest“. Dabei handelt es sich um ein „Multiple-Choice-Verfahren“, deutsch Mehfachauswahl, bei dem zu einer Frage mehrere vorformulierte Antworten zur ­Auswahl stehen. „Ich musste zum Beispiel Fragen beantworten wie: Was ­unterscheidet den Bischof vom Erzbischof? Oder: Hat der L‘ Osservatore Romano einen ständigen Sitz in Castel Gandolfo?“

Als Redakteurin fängt Gudrun Sailer bei „Radio Vatikan“ an

Der römische Beobachter, der „L’Osservatore Romano“, ist seit 1861 die Tageszeitung des Heiligen Stuhls und erscheint als Wochenausgabe seit über 50 Jahren auch auf Deutsch. In Teilen hat die ­Zeitung den Charakter eines Amtsblattes. Die Redaktion sitzt in Sichtweite der Engelsburg und nicht am Sommersitz des Papstes im 25 Kilometer südöstlich von Rom gelegenen Castel Gandolfo. Frau Sailer erzählt, dass sie damals dachte: „Oh Himmel – da habe ich wohl ganz schlecht abgeschnitten. Aber nachdem ich zumindest wusste, wie viele Stationen der Kreuzweg hat und dass ein Erzbischof ein bissle mehr ist als ein Bischof, lud mich Pater Gemmingen zur Probewoche nach Rom ein. Und ich bin bis heute hiergeblieben.“

Die mehrsprachigen „Vatican News“ sind seit 2017 die Hörfunk-, TV-, Print- und Onlineangebote des Vatikans. Davor firmierten die Medienangebote unter dem Dach der Auslandsdienste von Radio Vatikan.

Als Redakteurin fing Gudrun Sailer bei „Radio Vatikan“ an und hat ­seitdem mehrere Veränderungen erlebt. Schon unter Papst Benedikt XVI. gab es erste Medienreformen, die sich mit dem Pontifikat „unter Papst Franziskus seit 11 Jahren noch akzentuierten und verstärkten“. Seitdem sind die verschiedenen Einheiten im Vatikan, die beim Heiligen Stuhl, mit Kommunikation zu tun haben, in einer großen Behörde zusammengefasst worden, dem Dikas­terium für die Kommunikation. Unter diesem Dach befinden sich heute Radio Vatikan, der L‘Osservatore Romano, der Pressesaal des Heiligen Stuhls und das, was früher der päpstliche Rat für die sozialen Kommunikationsmittel war. „Wir sind mit Abstand die größte Behörde beim Heiligen Stuhl“, sagt Gudrun Sailer, „drei Mal so groß, wie das Staatssekretariat, die wichtigste Behörde, die dem Papst zuarbeitet.“

Themen liegen unter jedem Pflasterstein

Gudrun Sailer arbeitet nicht nur für den Vatikan, sondern sie ist auch als Buchautorin publizistisch tätig. „Wer im Vatikan arbeitet, hat Glück. Da liegen unter jedem ­Pflasterstein neue Themen“, sagt die Frau mit der markanten Frisur schmunzelnd. Besonders auf einem Gebiet ist Frau Sailer zur Expertin geworden: die Frauen im Vatikan. „Als ich noch in Berlin saß und mich beworben hatte, fragte ich mich schon, ob es im Vatikan überhaupt Frauen gibt und wie viele? Aber Radio Vatikan suchte damals ausdrücklich eine Redakteurin.

Vor der Abreise hat sie ihren Kleiderschrank ausgemistet und alle T-Shirts mit Spagetti-Trägern weggeschmissen, „weil ich glaubte, die könne ich im Vatikan ja wohl nicht mehr tragen“. Sicher ­käme damit niemand in die Redaktion. Aber ganz so schlimm, war es dann doch nicht. Zudem gab es viel mehr Frauen, als sie dachte. „Ich habe beobachtet, wie es unter Papst Franziskus immer mehr wurden. Er beruft gezielt Frauen in verantwortungsvolle Positionen, denn die Wirklichkeit ist ihm wichtiger, als die Idee“, beteuert Gudrun Sailer.

Natürlich möchte man wissen, wie hoch der Frauenanteil aktuell bei den Angestellten im Vatikan ist: „Unter den gut 5000 Angestellten, die für den Papst im Heiligen Stuhl und im Vatikanstaat arbeiten, gibt es aktuell 24 Prozent Frauen“, hat Gudrun Sailer recherchiert. „In meinem deutschsprachigen Medienressort sind sogar die Hälfte ­Frauen.“

Frauen im Verkauf, in der Verwaltung und dem höheren Dienst

Im Vatikanstaat arbeiten zum Beispiel Verkäuferinnen oder Verwaltungsangestellte. Aber beim Heiligen Stuhl sind viele Frauen in höherer Verantwortung. Das wird unter Papst Franziskus mit gezielter Personalpolitik gefördert, so Sailer.

Ein eingerahmtes Foto von Papst Franziskus. Das Kirchenoberhaupt will Frauen in Führungspositionen gezielt fördern.
Ein eingerahmtes Foto von Papst Franziskus. Das Kirchenoberhaupt will Frauen in Führungspositionen gezielt fördern.Rocco Thiede

„Es ist der Wille erkennbar, Frauen in Führungspositionen zu stärken. Frauen sollen von außen kommen und ihre Expertise einbringen, um nachhaltiger in den Kuriendikasterienbüros, den mit der Leitung der römisch-katholischen Kirche beauftragten Zentralbehörden, das Klima zum Positiven zu verändern“, erklärt Gudrun Sailer.

Gelegentliche TV-Auftritte

Die Journalistin ist auch Gründungsmitglied des „Vereins der Frauen im Vatikan“. Zu diesem Thema hat sie bereits mehrere ­Bücher verfasst: „Frauen im ­Vatikan. Begegnungen, Porträts, Bilder“, „Keine Kirche ohne Frauen“ oder das Buch „Monsignorina. Die deutsche Jüdin Hermine Speier im Vatikan“.

Bei besonderen Ereignissen wie zum Beispiel den Papstwahlen, tritt Gudrun Sailer gelegentlich auch als TV-Gastkommentatorin in Erscheinung oder ist bei Generalaudienzen als Lektorin zu hören.

Was das ganze Dorf weiß

Wohnt die Journalistin beim Papst, den Kardinälen und Ordensleuten im Vatikan? Sie wünscht es sich nicht, „weil es eigentlich ein Dorf ist. Ich komme selbst aus einem Dorf“. Daher kenne sie die „soziale Kontrolle“ aus eigener Erfahrung: „Kommt man von einer Geburtstagsfeier um halb eins in der Früh nach Hause, vielleicht ein bissl betütelt, dann muss man den Schweizer Gardisten rausklingeln. Und am nächsten Tag? Dann weiß es das ganze Dorf! Will man das?“

Also suchte sich Gudrun Sailer in der Nähe eine Wohnung und lebt privat nicht innerhalb der Mauern des Vatikans. Sie besitzt auch weiterhin ihren österreichischen Pass und keinen vom Vatikan. Zum Abschied beschreibt sie die besonderen Reize und Herausforderungen ihrer Arbeit: „Die vielen Neuerungen im Vatikan mitzuerleben, das ist schon ein Geschenk.“