Weihnachtszeit ist Bach-Zeit. Es gibt wohl kaum eine Stadt in Deutschland, in der im Dezember nicht irgendwo sein berühmtes Weihnachtsoratorium aufgeführt wird. Premiere feiert zudem am Mittwoch, 18. Dezember, um 20.15 Uhr in der ARD der Film “Bach – Ein Weihnachtswunder” mit Devid Striesow in der Rolle des Johann Sebastian Bach. Dieser hatte seine berufliche Hoch-Zeit als Kantor an der Leipziger Thomaskirche, wo 1734 auch sein Weihnachtsoratorium erstmals aufgeführt wurde.
Wer sich über den berühmten Komponisten informieren will, hat im Leipziger Bach-Museum eine gute Anlaufstelle. Direktorin Kerstin Wiese arbeitet bereits seit Längerem daran, dass das Haus möglichst barrierefrei ist. Im Zuge dessen gibt es seit Ende 2018 auch ein Angebot für autistische Menschen, also Menschen mit einer hochsensiblen Sinneswahrnehmung. Das Museum war damit Vorreiter in Deutschland und orientierte sich am New Yorker Metropolitan Museum of Art.
Leipziger Verein LunA berät bundesweit Museen
Das Angebot wurde gemeinsam mit dem Selbstvertretungsverein “Leipzig und Autismus”, kurz LunA, erarbeitet. Er berät inzwischen bundesweit Museen und vergibt das Siegel “Sensory Friendly”. Dieses kennzeichnet eine Umgebung, die unter dem Bewusstsein der sozialen und sensorischen Empfindungen von Menschen aus dem Autismus-Spektrum gestaltet ist. Dabei wird insbesondere auf flexible Kommunikationsformen, Planbarkeit und Abmilderung von äußeren Reizen geachtet.
“Autistische Menschen möchten möglichst nicht überrascht werden und sich auf einen Museumsbesuch präzise vorbereiten”, berichtet Wiese. Auf der Homepage des Bach-Museums können sie sich dafür unter anderem einen Ablaufplan mit zahlreichen Fotos für den Museumsbesuch herunterladen. Das beginnt damit, wie der Eingang zum Museum aussieht, wie man ins Gebäude gelangt, wo sich die Ausstellungsräume befinden, wo die Garderoben und Schließfächer sind – samt möglichst klaren Erläuterungen.
Für Wiese war es nach eigenen Worten ein Aha-Erlebnis, wie wichtig eine klare, unmissverständliche Sprache für Menschen aus dem autistischen Spektrum ist. Das zeigte sich, als LunA die entsprechenden Texte gegencheckte. Zur Vorbereitung gibt es auch einen Vorschlag für einen Rundgang zu ausgewählten Exponaten, Themen und interaktiven Stationen im Museum. “Menschen im Autismus-Spektrum neigen dazu, wirklich alles wahrnehmen zu wollen, jedes einzelne Detail und Ausstellungsstück – dies ist in einem Museum unmöglich und kann leicht überfordern”, erläutert Wiese.
Autistin bedankt sich beim Museum
Zum Startpaket gehört ferner ein “Licht, Klima, Klang”-Plan, der für jeden Raum des Museums anzeigt, ob und welche Fenster es gibt, ob es ein klimatisierter Bereich ist, ob es einen Raumklang gibt, Hörstationen oder andere akustische Signale. “Autistische Menschen haben ja eine hochsensible Sinneswahrnehmung und wissen dann genau, was sie sensorisch erwartet”, erklärt Wiese.
Darüber hinaus gibt es einen Vorlagenbogen mit Kommunikations-Kärtchen, die man ausschneiden kann. Darauf steht jeweils mit einer Symbolzeichnung versehen: “Ich habe ein Problem.” Oder: “Ich muss zur Toilette”, “Ich brauche Hilfe”, “Ich möchte zum Ausgang gehen”. Wiese erklärt: “Menschen im Autismus-Spektrum bevorzugen eine schriftliche Kommunikation, manche sprechen ungern oder gar nicht mit anderen Menschen.” Das Museumspersonal sei entsprechend geschult worden: “Sie gehen dann zunächst mit dem Betreffenden in eine ruhige Ecke, bieten etwas zu trinken an und schauen, wie sie konkret helfen können.”
Direkte Rückmeldungen von Betroffenen bekommt das Museum eher selten. Umso mehr freute sich Direktorin Wiese über einen Eintrag im Gästebuch von einer Mutter: “Herzlichen Dank für die online verfügbaren Informationen für autistische Menschen. Hervorragend! Es hat meiner Tochter den Museumsbesuch ungemein erleichtert, so dass sie ihn genießen konnte.”