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Jochen Kaiser: Mit Leidenschaft für die Kirchenmusik

Seit einem halben Jahr ist Jochen Kaiser Rektor der Hochschule für Kirchenmusik der Evangelischen Kirche von Westfalen. Er spricht über Ideen und Visionen für die Zukunft des Studiums und Berufs.

Menschen, die mit Begeisterung Musik machen – die wünscht sich der Rektor der westfälischen Kirchenmusikhochschule, Jochen Kaiser
Menschen, die mit Begeisterung Musik machen – die wünscht sich der Rektor der westfälischen Kirchenmusikhochschule, Jochen Kaiserepd-bild / Jens Schulze

Aufstehen! Das ist Jochen Kaisers Tipp für begeistertes Singen in der Kirche. „Wir singen im Gottesdienst oft zu langsam und zu tief und haben so kaum die Möglichkeit, Emotionen auszudrücken“, hat der Kirchenmusiker beobachtet. Ganz anders im Fußballstadion: „Da ist das Singen viel körperlicher, und dann gehen auch hohe Töne!“

Sich selbst beschreibt der 52-Jährige als Musiker zwischen Praxis und Wissenschaft. Aufgewachsen in Greifswald, bewegte er sich als Jugendlicher zwischen Freikirche und Landeskirche. Gern hätte er Medizin studiert, wurde aber aus politischen Gründen in der damaligen DDR nicht zum Studium zugelassen. Also Kirchenmusik. Die Nähe liegt für Jochen Kaiser auf der Hand: „Mich interessiert, wie Leben funktioniert“, erklärt er.

Musik kann Glauben ausdrücken und vertiefen

Dieser Frage geht er auch in der Kirche nach. So kam zum musikalischen Studium in Dresden und Heidelberg noch eine Promotion in Liturgiewissenschaft dazu. Kaiser forschte über Musik in der Kirche, indem er Menschen über ihre Empfindungen zu gottesdienstlicher Musik und eigenem Gesang befragte.

Dabei spielt Musik als Möglichkeit, den Glauben auszudrücken und zu vertiefen, für Jochen Kaiser eine zentrale Rolle: „Alle Musik will verkündigen und ins Gebet führen, egal, ob Popsong oder Choral.“ Ohnehin findet er, es sei an der Zeit, sich von diesen Gegensätzen und Kämpfen zu lösen. „Menschen hören Musik, nicht Musikstile. Sie sind offen für jede Musik, die sie im Augenblick ergreift, und ein Kirchenmusiker muss spüren, was für Musik das sein kann.“

Jochen Kaiser, Rektor der Hochschule für Kirchenmusik der westfälischen Landeskirche
Jochen Kaiser, Rektor der Hochschule für Kirchenmusik der westfälischen Landeskircheprivat

Er selbst hört mehr Popmusik als Klassik. „Wenn ich früher Punkrock laufen ließ, wusste meine Tochter: Aha, Papa putzt“, erzählt er lachend. Lieblingskomponist? „Immer der, den ich gerade höre – von Purcell oder Buxtehude bis hin zu Whitney Houston.“ Als Musiker fühlt er sich allerdings mehr in der Klassik zu Hause, besonders beim Singen mit Menschen und beim Improvisieren auf der Orgel, wo er Klänge für Gefühle und Atmosphäre findet.

Neustart für die Hochschule in Bochum

Jochen Kaiser ist jemand, der sich gerne neue Dinge erschließt und sich aus seiner Komfortzone herauswagt, wie er selbst sagt. Darum reizt ihn die Herausforderung, die in der Neuorganisation der Kirchenmusikhochschule liegt. „Dass wir in Bochum ein gemeinsames Gebäude bekommen, macht Veränderungen natürlich einfacher – so können der Klassik- wie der Popbereich neu anfangen“, sagt er. „Ich freue mich sehr darauf, bin mir aber auch darüber im Klaren, dass das Zusammenwachsen Geduld braucht.“

Der Rektor der Kirchenmusikhochschule rechnet fest damit, dass der Zeitplan einzuhalten ist: „In drei Jahren sind wir umgezogen.“ Unter einer Bedingung allerdings: dass die Landessynode der Finanzierung zustimmt. „Da würde ich in die Auseinandersetzung gehen“, erklärt Kaiser selbstbewusst und verweist darauf, dass die geplante Investitionssumme vergleichsweise gering sei. Dass Präses Annette Kurschus den Neubau als Zukunftsprojekt bezeichnet, sieht er als wichtige Unterstützung.

Kirchenmusik – ein Beruf mit Zukunft

Aber hat professionelle Kirchenmusik angesichts der drückenden Sparzwänge überhaupt eine Zukunft in den Gemeinden? Jochen Kaiser ist fest davon überzeugt. Er verweist auf den Studierenden-Jahrgang, der kürzlich fertig wurde: Alle neun Absolventinnen und Absolventen hätten bereits vor ihrem Examen Stellen gefunden, die sie wirklich haben wollten. „Jeder, der hauptberuflich Musik machen und mit Menschen arbeiten will, ist in der Kirchenmusik richtig“, betont er.

In der Ausbildung der Musikerinnen und Musiker hat Kaiser einige Punkte im Blick, die er verändern möchte. Zum einen die Nachwuchswerbung: „Mit den Ferienkursen, bei denen Interessierte ins Studium schnuppern können, haben wir ein tolles Format. Aber wir müssen noch mehr rausgehen, etwa an Musikschulen oder Studien- und Jobbörsen.“ Orgelunterricht sähe er gern auch an Musikschulen verankert, um noch mehr Jugendliche für dieses spezielle Instrument zu begeistern.

Zusammenarbeit beginnt schon im Studium

Außerdem hält er es für sinnvoll, das Studium den neuen Bedingungen in den Gemeinden anzupassen, etwa mit Blick auf die interprofessionellen Teams, in denen mehrere Berufsgruppen stärker als bisher zusammenarbeiten. „Meine Vision wäre, dass wir das auch schon im Studium praktizieren“, erklärt er. „Wieso nicht für Studierende der Theologie, Kirchenmusik und Gemeindepädagogik in den ersten Semestern gemeinsame Veranstaltungen einplanen? So lernen sie sich kennen und können vielleicht schon erste tolle Projekte zusammen auf die Beine stellen.“

Auch in den Gemeinden sieht Kaiser für Kirchenmusikerinnen und -musiker neue Aufgabenfelder. „Viele Menschen können sich Musik kaum noch erschließen, weil ihnen die Grundbildung dafür fehlt“, so seine Beobachtung. Musikvermittlung sei daher ein wichtiger Punkt, wobei es nicht darum gehen soll, vermeintliche Defizite auszugleichen, sondern neue Räume für die Wahrnehmung von Musik zu öffnen. Kinderchorarbeit sollte noch verstärkt werden, aber auch die musikalische Arbeit mit älteren Menschen möchte der Kirchenmusiker noch ausbauen.

Um all das zu leisten, braucht es in der Kirchenmusik „echte Profis“, die in allen Musikbereichen sichere Grundfähigkeiten haben, meint Kaiser. Darüber hinaus findet er es sinnvoll, dass die Musikerinnen und Musiker sich in einem Bereich spezialisieren, sei es Chorleitung, Orgel oder ein anderes Instrument. „Es ist gut, eine Leidenschaft zu haben – das hält die Begeisterung aufrecht.“