Jesiden haben bei der Gedenkveranstaltung zum 9. Jahrestag des Völkermordes im Nordirak durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) Diskriminierungen in Deutschland beklagt. Jesidische Kinder würden auch auf deutschen Schulhöfen rassistisch beleidigt und hätten Angst, ihre Identität preiszugeben, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Eziden in Deutschland, Irfan Ortac, in Mainz. Vorurteile gegen die Jesiden im Nahen Osten würden durch Einwandererfamilien in Deutschland weiter gepflegt.
Die Jesiden erwarteten auch von den Kultusministerien mehr Sensibilität, erläuterte der Vorsitzende dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine in diesem Frühjahr an das niedersächsische Kultusministerium gerichtete Petition strebe an, dass die Schullektüre „Thimm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ mit einem Kommentar versehen werde. In dem Buch würden die Jesiden als „Teufelsanbeter“ bezeichnet. Mit dieser Unterstellung hätten radikale Muslime im Nahen Osten die Verfolgung der Jesiden begründet, erläuterte Ortac. In Wahrheit würden die Jesiden keinen Teufel kennen. Ihre Religion sei streng monotheistisch und kenne keinen Widersacher Gottes.
Ehrenpreis für muslimischen Politikwissenschaftler Saad Salloum
Ortac appellierte auf der Veranstaltung an die Bundesregierung, die Unterstützung für die Überlebenden des am 3. August 2014 begonnenen Völkermordes im Nordirak zu verstärken. Tausende von Jesiden waren damals getötet und verschleppt worden, Hunderttausende flohen aus der Heimat in der Sindschar-Region. Das Gedenken ehre die Opfer und erinnere daran, „dass sich vergangene Verbrechen wiederholen könnten, wenn wir nicht aus der Geschichte lernen“, sagte der Vorsitzende.
Auf der Gedenkveranstaltung unter der Schirmherrschaft der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) verlieh der Zentralrat der Eziden dem muslimischen Politikwissenschaftler und Autor Saad Salloum aus dem Irak einen Ehrenpreis. Salloum werde für sein Eintreten für die Rechte von Minderheiten und den interreligiösen Dialog geehrt.
Der Zentralrat der Eziden versteht sich als Vertretung von 235.000 nach Deutschland ausgewanderten und geflohenen Jesiden. 260.000 Jesiden hausen nach Ortacs Angaben noch in Flüchtlingslagern in Kurdistan im Nordirak, 120.000 lebten inzwischen wieder in der Heimatregion Sindschar. Das Jesidentum ist eine monotheistische Religion, deren Wurzeln bis 2.000 Jahre vor Christus zurückreichen.