Der reformorientierte Franziskaner ist in seiner Heimat Brasilien und auch auf dem Kontinent bestens vernetzt. Er hat einen Sinn für Praktische – und ist auch sonst gerne nah dran an den Problemen.
Als einer der aussichtsreichen Kandidaten Lateinamerikas auf das Papstamt gilt Kardinal Jaime Spengler aus Brasilien. Der 64-jährige Erzbischof von Porto Alegre in Brasilien wurde erst im Dezember Kardinal. Doch ist der reformorientierte Franziskaner in seinem Heimatland und auch auf dem Kontinent bestens vernetzt; als Präsident des Lateinamerika-Bischofsrates CELAM ist er weithin angesehen. An der römischen Kurie ist er schon seit 2014 tätig: zunächst als Mitglied der Ordenskongregation, dann in der Gottesdienstbehörde des Vatikans.
Spengler wurde im September 1960 als ältestes von vier Kindern geboren – in Gaspar im Bundesstaat Santa Catarina, einer im Süden Brasiliens gelegenen Region, in der viele Familien deutscher Abstammung leben. Auch Spengler und der 2022 zum Kardinal ernannte Erzbischof von Manaus, Leonardo Steiner, gehören dazu.
Mit 21 Jahren trat er 1982 ins Noviziat bei den Franziskanern ein, nachdem er zuvor fünf Jahre in einem Textilunternehmen gearbeitet hatte. 1985 legte Spengler die Ordensgelübde ab, studierte dann in Petropolis Philosophie und Theologie sowie schließlich auch in Jerusalem, wo er sich auf Bibelwissenschaften spezialisierte.
1990 wurde er in seiner Heimatstadt zum Priester geweiht und unterrichtete einige Jahre im Noviziat der Franziskaner in Rodeio. Es folgte eine Philosophie-Promotion in Rom an der Päpstlichen Universität Antonianum über Blaise Pascal, abgeschlossen im Jahr 2000. Erneut in die Heimat zurückgekehrt, übernahm Spengler dort verschiedene akademische und pastorale Aufgaben, unter anderem als Philosophieprofessor sowie als Pfarrvikar im Bistum Curitiba.
Spenglers Aufstieg in der Kirchenhierarchie begann, als er Ende 2010 von Benedikt XVI. zum Weihbischof in Porto Alegre an der Seite des damaligen Erzbischofs Dadeus Grings ernannt wurde. Bereits drei Jahre später, im September 2013, war er mit 53 Jahren dessen Amtsnachfolger und zugleich Brasiliens jüngster Erzbischof im größten nationalen Episkopat der Welt mit fast 500 Bischöfen. 2019 wurde Spengler Vize-Vorsitzender von Brasiliens Bischofskonferenz, im April 2023 deren Vorsitzender bis 2027. Zusätzlich übernahm er den Vorsitz des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM.
In kirchenpolitischen Fragen gilt Spengler als Unterstützer jener Anliegen, die in der Amazonien-Synode 2019 zur Sprache kamen: So forderte er für den Priestermangel – der in seiner Erzdiözese mit nur 300 Priestern für zwei Millionen Katholiken besonders eklatant ist – innovative Lösungen und eine offene Debatte etwa auch über die Priesterweihe verheirateter Männer (“viri probati”); zudem unterstrich er die Bedeutung der Laien.
Spengler sprach sich auch für die Einführung eines amazonischen Messritus aus und unterstützte das vatikanische Dokument “Fiducia supplicans” über die Segnung Homosexueller. Die Weltsynode über Synodalität bezeichnete er als Chance, die Hauptlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils weiterzuentwickeln.
Auch in sozialen Fragen finden sich bei Spengler viele Parallelen zum am Ostermontag gestorbenen Papst Franziskus. Der Erzbischof setzt sich offen für Belange der Bevölkerung ein, mit öffentlicher Kritik an Politik und Wirtschaft in einem Land, in dem “ein sehr kleiner Prozentsatz der Bevölkerung den Großteil des Reichtums in den Händen hält”.