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Islamwissenschaftler Khorchide: Offen über Rassismus reden

Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide fordert einen offenen Diskurs über das Thema Rassismus. Es gebe einen Zusammenhang zwischen hohen Zustimmungswerten für die rechtsgerichtete AfD und einer mit hohem moralischem Anspruch geführten Rassismus-Debatte, sagte der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir tappen in eine Falle, wenn wir nicht über Ängste sprechen, sondern über identitätspolitische Erzählungen.“

Die AfD schüre Angst vor dem Anderen und vor einem Verlust der eigenen Identität, sagte der Professor für Islamische Religionspädagogik. Am größten seien die Ängste vor dem Islam dort, wo die wenigsten Muslime leben, etwa in Ostdeutschland.

Khorchide räumte ein, dass Rassismus, besonders Antisemitismus, auch unter Muslimen verbreitet ist. „Manche muslimischen Schulkinder äußern sich geringschätzig über Juden, aber auch über Mädchen, die kein Kopftuch tragen“, sagte er. „Es gibt Diskriminierung innerhalb der muslimischen Glaubensgemeinschaft.“

Skeptisch beurteilt Khorchide die Definition, Rassismus sei dort, wo ein Mensch sich benachteiligt fühlt. „Wenn sich Muslime dieser Rhetorik bedienen, ist das Wasser auf die Mühlen der Islamisten, die sich so vor jeglicher Kritik immunisieren würden“, warnte der Islamforscher.

Auch den Begriff „antimuslimischer Rassismus“ sieht der 52-jährige Soziologe und Religionspädagoge kritisch. Manche Islamisten gebrauchten diese Wortverbindung, um Vorbehalte gegen ihre Auslegung des Islam als Rassismus zu diskreditieren, gab er zu bedenken. Es sei jedoch wichtig, über objektive Kriterien zu reden. „Diese müssen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft ausgehandelt werden“, sagte der Wissenschaftler. „Das geht nur in einem offenen Diskurs.“

Historische Texte, in denen nach heutigem Verständnis rassistische Begriffe wie das „N-Wort“ verwendet werden, sollten nach Ansicht Khorchides nicht aussortiert oder umgeschrieben werden. „Wenn wir da konsequent wären, müssten wir große Teile unserer heiligen Schriften in den Giftschrank sperren“, sagte er. „Verdrängen und Wegschließen“ sei keine Lösung. „Zielführend ist vielmehr die Frage: Wie rezipieren wir diese Texte? Wie schaffen wir ein Bewusstsein dafür, was sie uns heute zu sagen haben?“ Es brauche „geistige Räume der Begegnung mit historischen Texten“.