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Inklusion: Schattenbericht kritisiert Hamburger Zustände

Als Antwort auf den Landesaktionsplan (LAP) der Stadt Hamburg für die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) ist am Donnerstag der Schattenbericht präsentiert worden. Der 330-seitige Bericht, der am Donnerstag in Hamburg vorgestellt wurde, ist ein Projekt der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie der Stiftung „Das Rauhe Haus“. Er zeigt aus der Sicht behinderter Menschen auf, wie inklusiv die Stadt ist. Neben aufgedeckten Missständen liefert er auch Verbesserungsvorschläge, hieß es bei der Präsentation mit dem Experten Christian Judith und Siegfried Saerberg von der Evangelischen Hochschule.

Zentrale Kritikpunkte lauten: Hamburg hat sich beim LAP bemüht, muss aber vieles besser machen. Der Plan umfasse viel zu wenig Maßnahmen, im Beteiligungsverfahren seien Menschen mit Behinderung nur begrenzt mit einbezogen worden. Der LAP denke Inklusion als gesamtstädtische Aufgabe zu kurz, er behandle fast nur verwaltungsstrukturelle Organisationsaufgaben. Barrierefreiheit werde nicht ausreichend thematisiert. Mit Blick auf die Finanzen wirft der Bericht der Stadt „hanseatische Sparfuchs-Politik“ im Stil von „Inklusion nur da, wo möglich und wo kostenneutral“ vor. Dieses Vorgehen müsse ein Ende haben.

Der Schattenbericht fordert, dass auch Politik, Ökonomie und Gesellschaft behandelt werden. Partizipation müsse insgesamt mehr Beachtung finden. Bei Barrierefreiheit müsse gelten: „Raus aus der Barriere-Armut und rein in den Zugangsreichtum!“

Im Bildungsbereich ist Inklusion in Hamburg dem Bericht zufolge noch lange nicht umgesetzt. Anstatt das gesamte Bildungssystem inklusiv zu gestalten, setze die Stadt weiter auf Sonderstrukturen wie Sonderschulen.

Die in der Stadt bestehende Wohnungsnot ist dem Bericht zufolge für Menschen mit Behinderung noch katastrophaler als für Menschen ohne Behinderung. Der soziale Wohnungsbau für alle müsse verstärkt werden. Auch brauche es den inklusiven Sozialraum: Barrierefreier Wohnraum nütze nämlich wenig, wenn Haus und Straße, in denen sich die Wohnung befindet, unzugänglich seien.

Ein weitere Kritik: Der LAP vernachlässige die volle Mobilität für behinderte Menschen. Im öffentlichen Wege- und Straßennetz stießen sie auf unzählige Hindernisse. Laut Judith fehlen beispielsweise in Bussen und Bahnen optische Anzeigen in Gebärdensprache. Der Bericht fordert Barrierefreiheit u.a. beim Hamburger Verkehrsverbund (hvv), bei der Nutzung von Bussen, S- und U-Bahnen sowie auf dem Hamburger Flughafen. Der Hauptbahnhof sei „ein Gefahrenherd mit Alarmstufe rot“. Saerberg sagte, blinde Menschen stießen sich beispielsweise an den Rückseiten der Treppen den Kopf.

Im Bereich Arbeit wirft der Bericht der Stadt ein Festhalten an den Werkstätten für behinderte Menschen vor. Laut Bericht herrscht dort Lohnausbeutung, und es fehlen grundlegende Arbeitnehmerrechte. Die Werkstätten seien ineffizient in der Ausbildung und Förderung für den ersten Arbeitsmarkt. Saerberg: „Es geht darum, einen offenen und inklusiven Arbeitsmarkt für alle aufzubauen“. Das sei in den Werkstätten nicht der Fall.

Beim Thema Kultur, Freizeit und Sport falle im LAP die Formulierung „möglichst barrierearm“ auf. Barrierearmut nur nach Möglichkeit statt echter Barrierefreiheit könne aber schnell in Barrierearmseligkeit umschlagen, mahnt der Schattenbericht.

Zu kurz greife der LAP auch im Bereich Schutz. Problemfelder würden „angetippt, eine wirklich gute Lösung (…) aber vermieden“. Geflüchtete mit Behinderung erhielten kaum medizinische Versorgung, kaum behinderungsspezifische Unterstützung und kaum Teilhabeleistungen. Obdachlosigkeit sei gar „ein völlig unterbelichteter Aspekt“, der dringend thematisiert werden müsse.