Von Bischof Markus Dröge
Berge von Post türmen sich auf meinem Schreibtisch, wenn ich aus dem Urlaub komme. Oft weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Am vergangenen Montag aber war mir schon vorher klar, dass ich als erstes die aktuelle Ausgabe unserer Kirchenzeitung aus dem Stapel ziehen würde. Denn bereits in den Urlaub hatte ich eine Mail bekommen, die mich darauf aufmerksam machte, dass es in der aktuellen Ausgabe der „Kirche“ eine Karikatur gibt, die für antisemitisch gehalten werden kann.
Und tatsächlich war ich entsetzt, als ich das „Vermischte“ auf der letzten Seite aufschlug: Eine solche Karikatur in unserer Kirchenzeitung ist für mich vollkommen inakzeptabel! Hier wird mit Bildern suggeriert, es seien „die Juden“, die „die Araber“ in Israel beiseite drücken, aushungern, zerquetschen wollen. Gut und Böse sind klar verteilt.
Gegen eine differenzierte und sachliche Kritik an dem neuen israelischen Nationalstaatsgesetz ist nichts zu sagen. Auch in Israel selbst ist die Kritik groß, stark und laut. Opposition, Staatspräsident und Justiz haben sich klar gegen das Gesetz ausgesprochen. Es sind also nicht „die Juden“, die dieses Gesetz befürworten und sich damit füttern lassen wollen! In einer so vielschichtigen Problemlage, wie wir sie derzeit im Nahen Osten haben, dienen einseitige Zuschreibungen von Schuld verbunden mit platten religiösen und ethnischen Identifizierungen nicht der so notwendigen Versöhnung. Im Gegenteil: Sie gießen Öl ins Feuer!
Unser ganzes Bestreben in der Evangelischen Kirche, sei es in der EKBO oder in der EKD, ist es, in der angespannten Situation im Nahen Osten zu Fairness und Sachlichkeit beizutragen. Als Vorsitzender der „Evangelische Mittelost-Kommission“ (EMOK) der EKD habe ich im vergangenen Jahr im Vorwort zur Neuauflage des EKD-Papiers „Israel-Palästina“ folgenden Satz geschrieben: „Im Sinne einer Selbstverpflichtung und eines Appells bekräftigen die Mitglieder der EMOK erneut, dass Kritik in fairer Weise zu üben ist und dass Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten zu benennen sind und dass immer auch die Sicht der jeweils anderen Seite wahrzunehmen und zu respektieren ist, so schwierig das mitunter auch sein mag.“ Die Karikatur hat diesem Ziel nicht gedient.
Die Gespräche mit Verlag und Redaktion, die ich unmittelbar geführt habe, haben mir gezeigt, dass zwar sicherlich kein vorsätzlicher Antisemitismus im Spiel gewesen ist. Aber es sind ja gerade die unbedachten Haltungen, mit denen Klischees und einseitige Zuschreibungen gedankenlos transportiert werden, die heute wieder den Nährboden für Antisemitismus bieten.