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Impfkommission rät zu Kontrolle des Polio-Impfstatus bei Kindern

Deutschland gilt seit Jahrzehnten als poliofrei. Nun wurde in zahlreichen Regionen der Erreger im Abwasser gefunden. Die Impfkommission rät Eltern, den Impfstatus ihrer Kinder zu kontrollieren.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt Eltern, den Polio-Impfstatus ihrer Kinder zu überprüfen. Erziehungsberechtigte sollten das selbst oder durch die Kinder- oder Hausärzte möglichst zeitnah machen und fehlende Impfungen zügig nachholen, hieß es am Donnerstag in einer Stellungnahme der Kommission. “Leichte Erkältungskrankheiten sind kein Grund, fällige Impfungen zu verschieben”, betonten die Experten. Altersunabhängig sei auch für Personen in Gemeinschaftsunterkünften ein vollständiger Impfstatus sehr wichtig.

In Abwasserproben war in mehreren Regionen Deutschlands der Polio-Erreger entdeckt worden. Es handelt sich dabei um ein vom Lebendimpfstoff abgeleitetes, mutiertes und potenziell wieder krankmachendes Poliovirus Typ 2, das offenbar schon länger zirkuliert. Weitere Untersuchungen stünden noch aus.

Das Wildtyp-Poliovirus 2, das die sogenannte Kinderlähmung hervorruft, gilt laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) als ausgerottet. Bei dem bis 1998 in Deutschland und in anderen Ländern weiterhin genutzten Lebendimpfstoff kann es jedoch vorkommen, dass die Impfviren mutieren und mit dem Stuhl Geimpfter in das Abwasser gelangen. Sind diese Viren über mehr als zwei Monate im Abwasser nachweisbar, wird laut WHO von einem zirkulierenden Erreger gesprochen. Ähnliche Befunde gab es zuletzt in Spanien und Portugal.

Für nicht durch Impfung geschützte Personen kann dies ein Risiko darstellen. Insbesondere bei Kindern entsteht in Deutschland eine zeitliche Impflücke. So sind viele Kinder oft erst mit Schulbeginn vollständig immunisiert, also drei Mal geimpft. Im Alter von sechs Jahren besaßen laut Robert Koch-Institut zuletzt rund 88 Prozent der Kinder einen vollständigen Impfschutz, bei den Zweijährigen waren es je nur 77 Prozent, in einigen Bundesländern deutlich weniger. Bis zum 12. Lebensmonat war nur etwa jedes fünfte Kind vollständig immunisiert.

Laut Stiko-Empfehlungen sollte die Grundimmunisierung vor dem ersten Lebensjahr abgeschlossen sein. Ziel ist eine Durchimpfungsrate der gesamten Bevölkerung mit mindestens drei Impfdosen von 95 Prozent, idealerweise bis zum 12. Lebensmonat.

Die Poliomyelitis, kurz Polio oder oft auch Kinderlähmung genannt, ist die Folge einer Infektion mit einem von drei Picornaviren. Wenn die Krankheit ausbricht, kann sie sich auf das zentrale Nervensystem ausweiten und zum Tod oder dauerhaften Lähmungen führen. Übertragen wird das Virus fäkal-oral, also etwa über mit Fäkalien verunreinigtes Wasser und Lebensmittel. Da es keine antivirale Therapie gibt, können bei einer Infektion nur Symptome gelindert werden.