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Ich sammle, also bin ich: Schau über Wonne und Wahn des Sammelns

Ob Kinokarten, Muscheln, Schlümpfe, Bücher, Münzen, Stofftiere oder Schuhe – es gibt nichts, was der Mensch nicht sammeln würde. Das Diözesanmuseum Freising widmet sich nun in einer neuen Ausstellung dieser Leidenschaft.

Der eine begeistert sich für Briefmarken, der andere für Christbaumschmuck. Regale, Schränke und Schubladen sind bisweilen voll mit Nippes und Stehrumchen, aber auch mit durchaus wertvollen Dingen, die der Mensch zusammenträgt. In einem Museum bildet das Sammeln die Grundlage der Arbeit. So lag es für das Diözesanmuseum Freising auf der Hand, sich zu seinem 50-jährigen Bestehen diesem Thema zu widmen.

Warum sammeln wir und was sammeln wir? Die Antworten darauf sind vielfältig. Wie Statistiken belegen, sammeln etwa 75 Prozent der Menschen in Deutschland irgendetwas. Anthropologisch gedeutet, bildet das Horten von Vorräten einen entscheidenden Vorteil zum Überleben. Schon in der Kindheit hilft Sammeln, die Welt zu entdecken und zu erfassen. Bei Erwachsenen ist es oft ein persönlicher Selbstausdruck, gemäß dem Motto: Ich sammle, also bin ich.

Den Motiven dieses Phänomens spürt vom 1. April bis 3. August die höchst abwechslungsreiche Schau “Sammeln. Glück und Wahn” im Diözesanmuseum nach. Im ersten Raum stürzt auf die Besucherinnen und Besucher gleich eine virtuelle Flut von unterschiedlichsten Gegenständen ein. Zudem verraten Mitarbeiter des Hauses ihre persönlichen Sammelleidenschaften.

Beim Rundgang werden dann Persönlichkeiten vorgestellt, die ihre Privatsammlungen dem Museum gestiftet haben. Dazu gehört der Denkmalpfleger Josef Blatner (1895-1987). Ihm hat die Stadt München zu verdanken, dass deren Stadtkern nach dem Zweiten Weltkrieg in wesentlichen Teilen rekonstruiert wurde. Auch in seiner Wohnung, die hier extra nachgebaut wurde, umgab er sich mit den Zeugnissen der Vergangenheit. Vor allem begeisterte er sich für die Zeit des Barock und Rokoko sowie für die bayerische Volksfrömmigkeit.

Ein anderer Sammler und Stifter war der ehemalige Balletttänzer Karl-Heinz King (1929-2018). Schon in jungen Jahren hatte er begonnen, neapolitanische Krippenfiguren zu sammeln: bevorzugt strahlend schöne, elegante und anmutige Engel, die in der Luft zu schweben scheinen. King inszenierte sie liebevoll und detailreich in großen Krippenlandschaften.

Zum Selbstverständnis von Herrschern gehörte es seit der Antike, Kunst- und Kulturgüter zu sammeln, um Macht und Bildung zu demonstrieren. Da machten die Freisinger Fürstbischöfe keine Ausnahme. So richtete etwa Albrecht Sigismund (1623-1685) im Marstallgebäude eine Galerie mit mehreren hundert Gemälden ein. Sein Bruder Albrecht verstand sich als Mäzen, der zeitgenössische Künstler unterstützte wie den Rembrandt-Schüler Christopher Paudiß.

Der Aufbau eines christlichen Kunstmuseums auf dem Freisinger Domberg begann mit dem Kunsthistoriker und späteren Domherrn Joachim Sighardt (1824-1867), der dafür 108 Kunstwerke stiftete. Sie sollten den Priesteramtskandidaten als Anschauungsmaterialien zur “Wiederentdeckung einer echt kirchlichen Kunst” dienen. Die Bildwerke und liturgischen Geräte wurden in den Studiersälen, Gängen und Sälen verteilt. Sie bildeten den Grundstock für das Haus und sind inzwischen auf 45.000 Objekte angewachsen.

Als es 1803 durch die Säkularisation in Bayern zu einem Ausverkauf an Kunst- und Kultgegenständen kam, waren es vor allem Priester, die diese erwarben und für die Nachwelt retteten. Das Gleiche galt in den 1960er-Jahren, als durch die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) viele Objekte überflüssig wurden. Und da sind die Millionen von Heiligenbildchen. Seit dem 16. Jahrhundert waren sie in Mode gekommen. In Schulen wurden sie als Fleißbildchen verteilt, ins Gebetsbuch eingelegt und als Familienschatz weitergegeben. So prägten sie das Bildgedächtnis vieler Generationen.

Wird die Jagd nach Dingen zu exzessiv betrieben, kann Sammeln zu einer krankhaften Sucht werden. Dieses Messie-Syndrom wird nicht ausgespart. Erschreckend-faszinierende Beispiele dafür sind eine riesige Laube mit tausenden von bemalten Ostereiern sowie die monströse Figur der Königin aus “Alice im Wunderland”, die aus hunderten von Wachsstöcken, Weihwasserkesseln, Heiligenfiguren in Glasstürzen, Rosenkränzen oder Amuletten besteht.

Das Diözesanmuseum besitzt aber auch einzigartige Kunstwerke – wie das vor wenigen Jahren erworbene Gemälde “Madonna mit Kind und Engeln im Erdbeerfeld” (1545) von Lucas Cranach dem Jüngeren. Ein Glücksfall für das Haus – und ein wunderbarer Schlusspunkt. In diesem Bild suchen und pflücken mehrere Engelchen Erdbeeren, um sie dem Jesuskind zu überreichen.