Hör- und Sehbeeinträchtigungen bei erwachsenen Menschen mit Behinderungen werden in Wohnheimen oftmals nicht erkannt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Blindeninstitut Würzburg mit der Uni Hamburg, der LMU München und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg in den vergangenen drei Jahren durchgeführt hat, wie die Blindeninstitutsstiftung am Donnerstag mitteilte. Mitarbeitende hätten Fragebögen zum Hör- und Sehverhalten der Bewohner beantwortet, außerdem wurden diese im Medizinischen Zentrum für Erwachsene mit mehrfacher und geistiger Behinderung der Uni Würzburg untersucht.
Die zentralen Ergebnisse der Studie: 88 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner hatten eine Sehschwäche, bei rund 40 Prozent der Betroffenen war sie vor der Untersuchung im Zentrum nicht bekannt. Beim Hören ist die Zahl der nicht bekannten Hörbeeinträchtigungen noch höher: 72 Prozent der Personen hatten eine solche Beeinträchtigung – jedoch war sie bis zur Untersuchung im Zentrum bei 69 Prozent der Personen unerkannt. 63 Prozent der untersuchten erwachsenen Menschen mit einer Behinderung waren sowohl von Hör-, als auch von Sehproblemen betroffen. Hörschwächen würden „seltener und später erkannt“ als Sehschwächen.
Die hohen Anteile an unbekannten Hör- und Sehbeeinträchtigungen führen oft zu vielen Alltagsproblemen, heißt es in der Studie weiter. Ermüdung und verringerte Aufmerksamkeit seien die Folge und letztlich könnten „gereizte, ängstliche oder auch aggressive Verhaltensweisen“ auftreten. Dies schränke die Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung im Alltag ebenso ein wie die Teilhabe in allen Lebensbereichen. Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) sagte, die Studie zeige, dass man noch sensibler für die Lebensqualität und Teilhabe von Menschen mit Behinderung werden müsse.
Die Studienmacher geben auch konkrete Praxistipps. Zum einen gibt es eine Broschüre, die Mitarbeitende in den Einrichtungen für das Thema aufmerksam machen soll. Zum anderen könne der Wohnalltag leicht derart gestaltet werden, dass sich die Situation für die Bewohner verbessert. Empfohlen werden einfarbige Tischsets oder Tischdecken, von denen sich das Geschirr kontrastreich abhebt. Auch sollten Hintergrund- und Störgeräusche vermieden und die Räume gleichmäßig und gut ausgeleuchtet werden. Nicht nur die in diesen Einrichtungen lebenden Menschen würden von solchen Anpassungen profitieren, sondern auch die Mitarbeitenden.
Neben den Befragungen der Mitarbeitenden und Untersuchungen der Bewohnerinnen und Bewohner wurden für die Studie 19 Wohneinrichtungen verschiedener Träger in Bayern besucht. Das Gesundheitsministerium hat die Untersuchung mit 420.000 Euro gefördert.