Vor 60 Jahren haben Deutschland und Israel ihren diplomatischen Austausch aufgenommen. Der Historiker Moshe Zimmermann nutzt diesen Anlass für eine Warnung.
60 Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel zeichnet der israelische Historiker Moshe Zimmermann ein ambivalentes Bild. “In Israel ist die Bevölkerung recht deutschlandfreundlich”, sagte Zimmermann der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Montag) am Jahrestag der Aufnahme diplomatischen Austauschs.
Die Hebräische Universität erstelle seit Jahren Meinungsumfragen. “Man sieht, wie die Sicht immer besser wurde. Man hat eine große Sympathie für Deutschland, weil es als israelfreundlich eingestuft wird.” In Deutschland dagegen sei es andersherum: Die öffentliche Meinung sei eher skeptisch, distanziert und sehr oft negativ.
“Die politische Klasse in Deutschland wiederum zeigt sich unbeirrt israelfreundlich. Egal, was wir hier an Verbrechen verüben”, sagte Zimmermann. “Eine nahezu blinde Unterstützung Israels ist ein Mittel, sich zu profilieren und klarzumachen: Wie unterscheiden wir uns vom ‘alten Deutschland’?”
Der Historiker mit deutschen Wurzeln warnte vor einer “unheiligen Allianz”: Diese sei entstanden “vor allem zwischen der extremen Rechten in Israel, inklusive den Siedlern, und der extremen Rechten in Europa”. Kritik von Demokraten und Liberalen werde umgekehrt schnell als antisemitisch bezeichnet.
“Dieser Zynismus ist etwas, was mich als Historiker sehr betrübt, weil der Begriff Antisemitismus missbraucht wird. Und weil der Kampf gegen den Antisemitismus und darüber hinaus gegen Rassismus überhaupt darunter leidet”, betonte Zimmermann.
“Die Schere zwischen öffentlicher Meinung und politischen Deklarationen zu Israel klafft immer weiter auf. Irgendwann wird sich der Spieß umdrehen. Aber dann wird es nicht gegen die israelische Regierung oder gegen die israelische Rechte gehen. Alle Israelis werden darunter leiden, auch die Leute, die hier gegen die Regierung demonstrieren. Und ebenso Juden im Ausland”, so Zimmermann weiter.
Liberalismus und liberaler Nationalismus seien dabei aufzugeben. Israel bewege sich zurzeit “tiefer in die Katastrophe, aber es gibt noch immer den Weg, der aus der Sackgasse führen kann”. Der Zionismus, also die Idee eines jüdischen Staats, könne in eine andere Richtung gehen: “Zusammenarbeit mit der Umwelt, mit den Palästinensern”, sagte der Historiker.