Der Berliner Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk sieht bei einem Teil der Ostdeutschen ein mangelndes Demokratieverständnis. „Viele glauben, Freiheit und Demokratie würden automatisch auch ein Wohlstandsversprechen beinhalten“, sagte Kowalczuk im Interview mit der in Dresden erscheinenden „Sächsischen Zeitung“ (Donnerstag). Das sei aber der seltene Idealfall.
„Falsche Vorstellungen von der Demokratie und falsche Erwartungshaltungen“ seien in Ostdeutschland durchaus weit verbreitet, sagte der Historiker. Viel zu wenige in den neuen Ländern hätten nach 1990 begriffen, dass Demokratie eben auch bedeute, „sich einzumischen, selbst aktiv zu werden, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, weil Demokratie nun mal von Partizipation lebt“, sagte Kowalczuk. Deshalb gebe es keine starke Zivilgesellschaft, die angesichts von Extremismus, Rassismus und Feindlichkeit offen dagegenhalten könnte.
In der Demokratie gehe es um Kompromisse, die „oftmals mühsam herbeigeführt werden müssen“. Kowalczuk sagte dazu im Interview: „Wenn man für diese Prozesse kein Verständnis hat – und ich behaupte, viele Ostdeutsche haben dafür kein Verständnis -, dann hat die repräsentative Demokratie, die sich auf das Grundgesetz beruft, ein großes Problem.“
Dann hätten es Parteien wie die AfD und das BSW leicht. Denn beide stünden „für die Überwindung der repräsentativen Demokratie, beide streben eine Diktatur der Mehrheit an“, sagte der Historiker.