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Hessen: Rechtsextreme Straf- und Gewalttaten auf Zehn-Jahres-Hoch

Die Zahl der extremistischen Straf- und Gewalttaten in Hessen ist im vergangenen Jahr stark angestiegen. Insgesamt sind 1.881 Taten in diesem Bereich registriert worden, was einem Plus von rund 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2022: 1.243 Delikte) entspricht, wie das hessische Innenministerium anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2023 am Montag in Wiesbaden mitteilte. Innenminister Roman Poseck (CDU) bezeichnete die aktuelle Sicherheitslage im Land demnach als „insgesamt angespannt“.

Mit 1.445 Straf- und Gewalttaten stammte das Gros der Delikte aus dem Bereich Rechtsextremismus. Das sind den Angaben zufolge 394 Fälle mehr als noch im Jahr 2022 und somit ein Höchststand im Zehn-Jahres-Vergleich. „Die Zahlen sind höchst alarmierend und unterstreichen, dass der Rechtsextremismus die größte Bedrohung für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ist“, sagte Poseck. In Hessen sei jeder zweite Rechtsextremist gewaltorientiert. Insgesamt 905 Personen zählten dazu.

Auf den Bereich Islamismus entfielen im vergangenen Jahr laut Innenministerium 146 Straf- und Gewalttaten. Dahinter folgte der Linksextremismus mit 138 Delikten. „Die Gefährdungslage durch terroristische Gruppierungen wie den Islamischen Staat und seine Ableger ist weiterhin abstrakt hoch“, so Poseck. Im Vergleich zum Jahr 2022 mit 27 Delikten habe sich die Zahl islamistischer Straftaten vergangenes Jahr mehr als vervierfacht. „Auch das Personenpotenzial im Islamismus nahm 2023 um 25 Personen auf 3.890 zu“, sagte der Innenminister. Davon zählten laut Ministerium 1.400 Personen als Salafisten.

Die Bekämpfung des Islamismus und derjenigen, „die unsere verfassungsmäßige Ordnung durch ein Kalifat ersetzen möchten“, sei ein Schwerpunkt der hessischen Sicherheitsbehörden. „Der Anschlag in Solingen hat uns auf erschreckende Weise vor Augen geführt, dass der Terrorismus nach wie vor eine große Gefahr für unsere Sicherheit ist.“ Poseck forderte mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden, etwa zur Speicherung von IP-Adressen. „Die Verschärfung des Waffenrechts, eine deutliche Begrenzung der irregulären Migration und die konsequente Abschiebung ausländischer Straftäter sind weitere Bausteine, um unsere Sicherheit zu erhöhen“, so der Innenminister.

Laut dem innenpolitischen Sprecher der im Hessischen Landtag oppositionellen FDP-Fraktion, Moritz Promny, könne Poseck „gar nicht anders, als jetzt die Sicherheitsbehörden zu stärken“. Aktivitäten von Gefährdern müssten auch im Internet stärker überwacht werden. „Es ist nicht hinnehmbar, dass islamistische Influencer ungestört zur Radikalisierung aufrufen dürfen“, sagte Promny, der zugleich die Abschiebung solcher Gefährder forderte, sollten die nötigen Voraussetzungen dafür erfüllt sein.

Lisa Gnadl, die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, mahnte an, es sei unübersehbar, dass „wir in einem gesellschaftlichen Klima der zunehmenden Polarisierung“ lebten. Extreme politische Ränder und extremistische Ideologien würden dadurch gestärkt. Poseck habe zu Recht darauf hingewiesen, dass „die größte Gefahr für das friedliche Miteinander, für die Demokratie und den Rechtsstaat von den Rechtsextremisten“ ausgehe. Gnadl monierte die „allgemeine Verrohung des Diskurses“ und dass politische Debatten bewusst aufgeheizt würden. „Hetze, Hassreden und Gewaltfantasien sind die ersten Schritte auf dem Weg zur Radikalisierung“, so Gnadl.

Wie das Innenministerium weiter mitteilte, sei die Anzahl antisemitischer Straftaten vergangenes Jahr um 224 Prozent auf 347 Fälle angestiegen. Laut dem Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz Hessen, Bernd Neumann, seien antisemitische Erzählungen in allen Extremismusbereichen zu finden. Ob sich bei den seit dem 7. Oktober 2023 stattgefundenen Protesten in Hessen Allianzen über den jeweiligen Extremismusbereich hinweg bildeten, untersuche aktuell eine wissenschaftliche Analysestelle des Landesamts. Damals hatte die radikalislamische Hamas Israel angegriffen.