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Herzensfrische

Wer den Mund öffnet um mitzusingen, tut viel mehr als nur Laut zu geben: Singen fördert nachweislich die Lebenszufriedenheit. Dabei spielt es keine Rolle, wie gut man die Töne trifft

„Singen befreit“, mit diesem Slogan wirbt derzeit eine Postkarte für den Gospelkirchentag in Braunschweig.

Und tatsächlich betonen Experten immer wieder die Vorteile des Singens. Es sei gemütsaufhellend, stimuliere die Synapsen im Gehirn, fördere die Lebenszufriedenheit und das Selbstbewusstsein.
Schwedischen Forschern zufolge habe es sogar einen lebensverlängernden Einfluss.
Der Organist Johann Jeep dichtete bereits vor 400 Jahren: „Musica, die ganz lieblich Kunst, ist ehrenwert zu halten.“ Und er wusste damals schon: „Sie frischt das Herz, welchs leidet Schmerz, tut all Unmut vertreiben, lässt niemand traurig bleiben.“
Auch heute noch scheinen viele Menschen die Kraft des Singens zu schätzen. Auch wenn etwa Männer- oder Kirchenchöre über Nachwuchssorgen klagen, treffen sich in Deutschland immerhin noch rund drei Millionen Frauen und Männer regelmäßig in Chören.
Andere singen nicht regelmäßig, aber nutzen ab und zu die Gelegenheit, mit anderen zu musizieren. In Köln gab es in der Adventszeit ein Weihnachtsliedersingen mit 30000 Menschen im Rheinenergie-Stadion. Als das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt war, fanden sich 2010 beim „Day of Song“ (Tag des Lieds) in Gelsenkirchen sogar 60000 sangesfreudige Gäste ein. Auch sogenannte Flash-Mobs erfreuen sich großer Beliebtheit –also spontane Auftritte von Sängerinnen und Sängern in Fußgängerzonen oder Einkaufszentren. Entsprechende Videos erreichen hohe Aufmerksamkeit im Internet.
Und der neueste Trend heißt: Rudelsingen. Dabei treffen sich Menschen jeden Alters in Kneipen und Cafés und singen gemeinsam Hits und Gassenhauer von früher und heute.
Dabei muss der Gesang keineswegs perfekt sein, um ein positives Lebensgefühl zu vermitteln. In Berlin hat zum Beispiel der „Chor der nicht singen kann“ großen Zulauf. Begleitet wird er von der „Band die nicht üben will“. Hier geht es offensichtlich um die Freude an der Musik und weniger um den ganz großen Anspruch. Zum Glück gibt es beides.
Mediziner und Psychologen machen bezüglich ihrer Wirkung keinen Unterschied zwischen der sogenannten ernsten Musik und der Unterhaltungsmusik. Ob Pop oder Klassik – die positive Wirkung hängt schlicht davon ab, ob sie gefällt oder nicht.
Auch in den Kirchen wird noch viel gesungen. Meist sind es Choräle, aber immer wieder werden auch neue geistliche Lieder oder Gospels ausgewählt. Besonders bei Jugendlichen sind Taizé-Gesänge und Worship- oder Anbetungslieder sehr beliebt.
Beim Singen in der Kirche geht es dabei noch um viel mehr als nur das eigene Wohlbefinden: Wie schon die Psalmen in der Bibel, dienen auch heutige Lieder dazu, Gott zu loben und zu ehren. Auch daran erinnert Johann Jeep schon im 17. Jahrhundert, wenn er schreibt: „Stimmt an, stimmt an den Lobgesang, lasst eure Stimm’ erklingen, und hört nicht auf zu singen!“