Auferstehung eines römischen Kaisers: Über den Dächern Roms wird ein 13-Meter-Nachbau der Konstantin-Kolossalstatue gezeigt. Den Herrscher hätte die Nähe zum Himmel gefreut, scheute er doch keine Gott-Vergleiche.
Stolz und starr ruht sein Blick über der Stadt, die er einst beherrschte. Etwas angeschlagen mit ein paar Kratzern am Knie und einigen Rissen am Schienbein thront Konstantin der Große über Rom. Umgeben vom Grün und Vogelgezwitscher der Gärten der Villa Caffarelli steht ein Nachbau der Statue, die Konstantin (um 280-337) einst selbst in Auftrag gab: des dreizehn Meter hohen Kolosses. Das Original sollte den Kaiser dem römischen Gott Jupiter nachempfunden zeigen – sitzend, mit Zepter und Weltkugel in den Händen, bekleidet mit einem goldfarbenen Mantel. Nun kann die Nachbildung ab sofort auf dem Kapitolhügel besichtigt werden.
Spezialisten haben die Rekonstruktion unter Zuhilfenahme moderner Technik aus den Fragmenten der Originalstatue geschaffen. Zehn Teile sind von ihr erhalten: der Kopf, ein Arm, ein Handgelenk und eine Hand, das rechte Knie und Schienbein sowie beide Füße – entdeckt bereits Ende des 15. Jahrhunderts. 1951 wurde noch ein Teil des Brustkorbs gefunden – besonders bedeutend für die Rekonstruktion.
Die Marmorfragmente befinden sich hauptsächlich im Innenhof der Kapitolinischen Museen und wurden dort tagelang per Photogrammetrie vermessen. Fachleute des Museums und eine 3D-Bildhauerin bildeten daraus ein digitales Modell der Statue, die anschließend aus Kunstharz modelliert wurde. Spezielle Pulver und Glimmer sorgen für einen authentischen Marmoranstrich. Im Gegensatz zum Original, das im Inneren aus Ziegeln, Holz und Metall bestand, trägt den “neuen Konstantin” ein Gerüst aus Aluminium. Das erleichtert Auf- und Abbau, wenngleich die Statue mindestens bis zum Ende des Heiligen Jahres 2025 auf dem Kapitol stehen soll.
Damit befindet sich das monumentale Abbild Konstantins nur einen Steinwurf entfernt vom ursprünglichen Aufstellungsort: in der Apsis der großen Basilika am Rande des Forum Romanum, einst in Auftrag gegeben von Konstantins christenfeindlichem Mitkaiser Maxentius. Im Kampf um die Alleinherrschaft im westlichen Teil des Römischen Reiches schlug Konstantin das Heer seines Rivalen in der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312. Nach dem Tod Maxentius’ vollendete er die Basilika in veränderter Form und platzierte dort die überlebensgroße Statue.
Eine bedeutende Verbindung mit der Originalstatue hat jedoch auch der aktuelle Standort. Auf dem Gelände der heutigen Villa Caffarelli standen einst Teile des mächtigen Kapitolinischen Tempels. Dieser war hauptsächlich “Jupiter Optimus Maximus” gewidmet. Hier befand sich auch eine Kultstatue des römischen Wettergottes. Möglicherweise ließ Konstantin aus dieser einst durch einen Blitzeinschlag beschädigten Figur sein kolossales Ebenbild schaffen – quasi antikes Recycling. Kratzspuren am Kinn des Herrschers könnten darauf hindeuten, dass die ursprüngliche Statue einen Bart trug. Dargestellt wurde die antike Gottheit zudem thronend mit goldenem Mantel – und entblößtem Knie.
Ließ Konstantin die Figur nicht wiederverwerten, dann in jedem Fall nach ihrem Vorbild bauen: als Kaiser gleichgesetzt der Gottheit mitsamt des nackten, heiligen Knies. Doch trotz allen göttlichen Beistands – das Schlachtenglück von 312 soll Konstantin dem Christengott zugeschrieben haben – konnten nur gewisse Komponenten des Kolosses die Zeit überdauern: Lediglich die unbekleideten Körperteile waren aus wertvollem weißen Marmor geschaffen. Die Kleidung war vermutlich aus weniger widerstandsfähiger Bronze.
Mit der Rekonstruktion lässt sich nun ein Stück altes Rom nachempfinden – täglich von 9.30 bis 18.30 Uhr im Garten der Villa Caffarelli. Der Eintritt zu diesem Teil der Kapitolinischen Museen ist frei.