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Hanauer Amtsleiter: Erinnerung an Anschlag ist sehr präsent

Am 19. Februar ist es vier Jahre her, dass ein Hanauer in seiner Heimatstadt neun Menschen mit Einwanderungsgeschichte, seine Mutter und sich selbst tötete. „Vor dem Jahrestag ist die Erinnerung in der Stadt sehr präsent“, sagte der damalige Opferbeauftragte der Stadt und jetzige Amtsleiter für Sozialen Zusammenhalt und Sport, Andreas Jäger, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Die Erinnerung wühlt die Menschen auf.“ Der vierte Jahrestag werde in Absprache mit den Angehörigen der Opfer still mit einem Innehalten begangen. Politische Reden würden zwei Tage zuvor gehalten auf der Demonstration, zu der die Initiative 19. Februar Hanau aufgerufen hat.

Die Angehörigen, die ein Familienmitglied verloren haben, kämen unterschiedlich mit der Situation zurecht, berichtete Jäger, der nach eigener Aussage regelmäßig mit mehreren Angehörigen pro Woche spricht. Manche hätten Kraft aus der Aufarbeitung gezogen. Cetin Gültekin und Said Etris Hashemi, die jeweils einen Bruder verloren haben, hätten Bücher geschrieben und im Vorfeld des Jahrestags öffentlich vorgestellt. Serpil Temiz Unvar habe nach der Ermordung ihres Sohnes Ferhat die Bildungsinitiative Ferhat Unvar gegründet, die sich gegen Diskriminierung und Rassismus engagiert und bereits ausgezeichnet wurde. Andere brauchten mehr Zeit zur Verarbeitung.

Viele Familien seien infolge der Morde arbeitslos geworden und würden vom hessischen Opferfonds unterstützt, erläuterte Jäger. Auch die Stadt helfe, etwa wenn es um Rentenausfälle gehe. Das Gedenken der Anschlagsopfer an dem Jahrestag tue den Angehörigen gut. Sie spürten, dass sie nicht vergessen seien. Auch fänden sie wichtig, dass die Gesellschaft sich vor Augen halte, wohin Rassismus führen könne: „Rassismus tötet.“ Die Stadt habe den Schluss gezogen, dass es wichtig sei, Menschen zusammenzubringen und in ein Gespräch miteinander zu bringen. „Die Menschen müssen in einen Dialog kommen“, unterstrich Jäger. Dann würden auch Vorurteile beiseite geräumt.

Um diesem Anliegen eine Struktur zu geben, hat die Stadt Hanau nach den Worten des Amtsleiters vor über zwei Jahren das Zentrum für Demokratie und Vielfalt gegründet. Das vorläufig noch in einem Provisorium untergebrachte Zentrum solle Raum für Begegnungen bieten sowie Projekte zur Bekämpfung von Diskriminierungen und Förderung der Demokratie unterstützen, erläuterte Jäger. Ein Masterplan sehe eine breite Beteiligung der Bürgerschaft und der Angehörigen der Anschlagsopfer vor. „Wir dürfen nicht in Kästen denken“, sagte Jäger, so sollten etwa Senioren und Jugendliche zusammentreffen. Mit dem Umbau des künftigen Domizils am Kanaltorplatz, einer ehemaligen Bankfiliale, soll im Frühjahr 2025 begonnen werden, die Fertigstellung ist für Ende 2026 geplant.