Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: "Weidet die Herde Gottes und achtet auf sie … nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund." Aus 1 Petrus 5,1-4
Wir sitzen draußen vor einem Kieler Café. Ich rede mit einer Theologiestudentin über Europas Protestanten. Sie trinkt Rhabarberschorle, ich Apfelsaftschorle, und ich frage sie, wie sie sich Kirche vorstellt. Kirche soll sich zeigen. Soll offen sein. Niemanden überrumpeln. So eine Kirche möchte sie. Jeder ist hier willkommen.
Wie soll Kirche sein? Geht es nach dem 1. Petrusbrief, so ist das Café auch unsere Weide, und wir sind die Schafe. Unsere Hirten, Petrus spricht von den Ältesten, sollen auf die Herde achten, die ihnen anvertraut wurde: die Herde Gottes. Auch das sind wir. Freiwillig sollen sie uns hüten, ganz ohne Profilierungssucht oder andere Zwecke. „Nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund“, übersetzte Martin Luther.
Was von Herzensgrund ist, geschieht aus reiner Liebe. Luther haben wir nicht nur diese poetische Sprache zu verdanken, sondern auch das Wissen um ein Priestertum aller Gläubigen, das eine Boulevardzeitung einst zwar mit Blick auf Rom, weniger auf die Protestanten mit der Schlagzeile „Wir sind Papst!“ proklamierte.
Für die Weide heißt das: Jedes Schaf ist ein Hirte. Und jeder Hirte ein Schaf. Und: Jeder ist jedem ein Vorbild. Das klingt für mich nach viel Inspiration auf der Wiese und viel Inspiration für die Kirchengemeinde. Und auch nach viel Vertrauen: Du bist richtig so, wie du bist. Es ist gut, dass du hier bist – ob nun als Kita-Kind, Küster oder Kirchengemeinderat. Oder als Mensch, der einfach mal mitten in der Woche vorbeikommt, sich in die vorletzte Bankreihe unserer Kirche setzt, um der Stille zu lauschen.
Wenn jeder auf den anderen achtgibt, wird das Geblöke auf der Schafwiese manchmal ziemlich laut. Manchmal wird um frisches Gras gerangelt. Manchmal kommt eine Herde auch auf glitschigem Grund ins Rutschen.
Aber wenn jeder, der hier auf der Weide steht, vom Grunde seines Herzens hier ist, hat er nichts zu verlieren. Dann kann er offen sein. Sich zeigen, auch mal blöken. Und in einem Straßencafé über die Zukunft der Kirche sprechen.
Unsere Autorin
Catharina Volkert ist Redakteurin der Evangelischen Zeitung in Kiel.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.
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Gut, dass du hier bist
Über die Herde Gottes schreibt Catharina Volkert. Sie ist Redakteurin der Evangelischen Zeitung.
